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Zentralrat der Juden: Paul Spiegel gestorben

Paul Spiegel, der langjährige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist tot. Der 68-Jährige ist in den frühen Morgenstunden nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Spiegel wurde von allen Seiten als großer Mensch gewürdigt.

Berlin/Düsseldorf/Frankfurt (Main) - Spiegel hatte das Amt Anfang 2000 nach dem Tod des Vorgängers Ignatz Bubis übernommen. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien und Vertreter der christlichen Kirchen reagierten mit tiefer Trauer und Erschütterung auf den Tod Spiegels. Sie würdigten seinen Kampf gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und für Zivilcourage.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Der verstorbene Präsident des Zentralrats der Juden war eine beeindruckende Persönlichkeit." Spiegel habe sich "mit großer Leidenschaft und all seiner Kraft für eine gute Zukunft der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland eingesetzt". Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, nannte Spiegel einen wichtigen Gesprächspartner im Engagement für eine freiheitliche Gesellschaft.

Der oberste Repräsentant von mehr als 100.000 Juden befand sich seit mehreren Wochen nach Herzproblemen und wegen einer Krebserkrankung im Krankenhaus. Mitte April hatte der Zentralrat mitgeteilt, es gehe Spiegel wieder besser. Er sei nach längerem Koma wieder zu Bewusstsein gekommen. Durch neue Infektionen hatte sich der Gesundheitszustand Spiegels laut Zentralrat aber in der vergangenen Woche wieder verschlechtert. Er sei am frühen Sonntagmorgen um 4:30 Uhr gestorben, teilte der Zentralrat mit. Der Düsseldorfer Unternehmer hinterlässt eine Frau und zwei Töchter.

Die Beerdigung soll nach jüdischem Brauch so schnell wie möglich in Düsseldorf stattfinden, voraussichtlicher Termin ist Mittwoch. Nach Angaben der dortigen Jüdischen Gemeinde wird der Verstorbene vermutlich am Sonntag in Berlin mit einem Trauerakt gewürdigt. Die Aufgaben Spiegels werden von seinen Stellvertretern Charlotte Knobloch und Salomon Korn übernommen, die dies bereits während seiner Krankheit getan hatten.

Zu den herausragenden Leistungen Spiegels gehörte unter anderem der Staatsvertrag, den die Bundesregierung und der Zentralrat der Juden in Deutschland im Jahr 2003 unterzeichneten. Damit wurden die Beziehungen erstmals auf eine rechtliche Grundlage gestellt.

"Großer Brückenbauer"

Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, bezeichnete den Tod von Spiegel als einen "schwerwiegenden und kaum zu beschreibenden Verlust" für Juden und Nicht-Juden in Deutschland. "Wir verlieren einen bedeutenden Juden und Europäer. Paul Spiegel war ein großer Brückenbauer", sagte Kramer. Merkel sagte: "Paul Spiegel hat sich konsequent zu den Grundfesten der Demokratie bekannt. Er mahnte, wo viele stumm blieben. Sein Einsatz für Zivilcourage, für Toleranz und gegenseitigen Respekt und gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus hat Maßstäbe gesetzt."

Die Todes-Nachricht ist bei der jüdischen Gemeinschaft mit großer Bestürzung aufgenommen worden. Dieter Graumann, Mitglied im Direktorium und Präsidium des Zentralrats, sagte der Nachrichtenagentur ddp am Sonntag in Frankfurt am Main: "Für uns ist ein Licht der Wärme, Herzlichkeit und Freundlichkeit erloschen". Graumann sprach von einem "rabenschwarzen Tag" für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. "Das tut schon sehr weh", fügte er hinzu. Graumann gehört neben dem Direktorium und Präsidium des Zentralrats auch dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt an. Diese zählt zu den bundesweit größten jüdischen Gemeinden in Deutschland.

Der designierte SPD-Vorsitzende Kurt Beck erklärte, Spiegel habe sich in Deutschland "große moralische Autorität erworben." Im Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus habe er niemals resigniert und trotz deprimierender Rückschläge gerne in Deutschland gelebt. CSU-Chef Edmund Stoiber nannte Spiegel einen "Mann des Ausgleichs und des Dialogs". FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hob Spiegels "unermüdlichen Einsatz für Toleranz, Respekt und Zivilcourage" hervor. Die Grünen würdigten Spiegel als "großen Demokraten", nach den Worten von Linksparteichef Lothar Bisky trat Spiegel konsequent gegen Antisemitismus ein.

Spiegel wurde am 31. Dezember 1937 in Warendorf im Münsterland geboren und floh mit seiner Familie 1939 vor dem Naziterror nach Belgien. Sein Vater überlebte die Konzentrationslager Buchenwald, Auschwitz und Dachau. Spiegel arbeitete als Journalist und engagierte sich seit den 60er Jahren in den Jüdischen Gemeinden in Deutschland. dpa/ddp/AFP (tso/dpa/ddp/AFP)

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