zum Hauptinhalt
Richter Manfred Götzl hat es mit den Zeugen aus der rechten Szene meistens nicht leicht.

© Andreas Gebert/dpa

Update

NSU-Prozess – 201. Tag: Zeuge aus der rechten Szene provoziert das Gericht

Ein Zeuge am 201. Verhandlungstag des NSU-Prozesses trug im Gerichtssaal die Tätowierung "Blut und Ehre" zur Schau - es könnte strafrechtliche Folgen haben. Ansonsten trug er wenig zur Erhellung bei.

Von Frank Jansen

Schon viele Zeugen aus der rechten Szene haben im NSU-Prozess provoziert, allerdings ohne strafrechtliche Folgen. Das dürfte sich nun ändern. Am Dienstag, dem 201. Verhandlungstag, trat im Saal A 101 des Oberlandesgerichts ein Skinhead auf, der deutlich sichtbar über seinem linken Ohr die Parole „Blut und Ehre“ tätowiert hat – ein Leitmotiv der Hitlerjugend. Der Spruch gilt als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, ihn öffentlich zu zeigen wird bestraft.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten, einer der Vertreter der Bundesanwaltschaft im Prozess, wies die Richter auf die Parole hin und beantragte eine Protokollierung. Später hieß es in Justizkreisen, Polizeibeamte hätten die Stelle am Kopf des Skinheads fotografiert. Auf die Frage einer Nebenklage-Anwältin, wann und warum er sich den Spruch hatte tätowieren lassen, sagte der Zeuge, er sei „15, 16“ Jahre alt gewesen, „war halt cool“. Nach der Mittagspause hatte er die Parole mit zwei Pflastern abgedeckt.

Der Zeuge trat auch so auf, wie es sein Aussehen – neben „Blut und Ehre“ wuchern weitere Tätowierungen über die halbe Glatze - erwarten ließ. „Keine Ahnung“ war die häufigste, aggressiv vorgetragene Antwort auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl und mehrerer Anwälte. Götzl wies den Mann aus Sachsen mehrmals scharf zurecht, dessen Ton änderte sich jedoch nicht. Immerhin gab der Zeuge zu, Mitglied der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge (WBE)“ gewesen zu sein. Die ungefähr im Jahr 2000 gegründete Vereinigung wurde mutmaßlich vom Angeklagten André E. und seinem Zwillingsbruder geführt. Die Bundesanwaltschaft wirft André E. vor, die Terrorzelle NSU unterstützt zu haben.

Etwa „20 Mann“ seien bei der WBE Mitglieder gewesen, sagte der Skinhead. Man habe sich getroffen, Partys gefeiert, „sonst nix weiter, keine Ahnung“. Richter Götzl konfrontierte ihn jedoch mit dem Heft „The Aryan Law and Order“, das die Brüder Eminger fabriziert haben sollen. Auch dazu wollte der Zeuge wenig sagen. Er wisse nicht mehr, wer das Heft herausgegeben habe, und überhaupt „war nicht gegen die Gesellschaft, nichts Schlimmes“.  In „The Aryan Law and Order“ wird eine rassistische Gesellschaftsordnung propagiert. Der Zeuge wollte mit seiner Aussage offensichtlich den Angeklagten André E., der hartnäckig schweigt, schützen.

"Ein absolut geiles Machtgefühl"

Überaus selbstbewusst trat am Nachmittag auch ein Zeuge auf, der in der rechten Szene einer der Häuptlinge war. Stephan L. führte von Berlin aus die „Deutschland-Division“ der internationalen Skinhead-Vereinigung „Blood & Honour“, bis zum März 2000. Ein halbes Jahr später wurde die deutsche Filiale vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verboten. Stephan L., heute mit Haaren auf dem Schädel, erinnert sich gern an die alten Zeiten zurück. „Für mich war es ein absolut geiles Machtgefühl“, sagte er, „Leute um mich herum, die auch mich hören“.

Von den Angeklagten kennt er angeblich niemanden, auch die NSU-MördernUwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kann oder will Stephan L. in seiner Erinnerung nicht finden. Und er persönlich befürworte keine Gewalt, sei sei nur „ultima ratio“. Dass sich die Terrorzelle NSU an das bei Blood & Honour diskutierte Konzept des „leaderless resistance“ (führerloser Widerstand) orientiert haben könnte, ist für Stephan L. kein Thema. Wer den Artikel im Blood & Honour-Magazin geschrieben habe, der den leaderless resistance propagiere, wisse er nicht, sagte der Ex-Chef der braunen Kahlkopftruppe. Aber er gab an, dass die Blood & Honour-Leute in Franken sich der militanten englischen Neonazi-Gruppierung „Combat 18“ verbunden fühlten. Der Hinweis könnte interessant sein. In Nürnberg erschossen Mundlos und Böhnhardt drei Türken und verübten in einem türkischen Lokal einen Sprengstoffanschlag. Anwälte der Nebenkläger vermuten, der NSU könnte von der gewaltbereiten rechten Szene in Franken und speziell in Nürnberg unterstützt worden sein.  

Weiterer Beistand für Wohlleben

Unterdessen zeichnet sich ab, dass der angeklagte Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben einen dritten Pflichtverteidiger bekommt. Dienstagmorgen setzte sich der Anwalt Wolfram Nahrath zwischen Nicole Schneiders und Olaf Klemke, die Wohlleben bislang alleine vertreten haben. Nahrath ist einer der bekanntesten Figuren der rechten Szene, unter anderem war er letzter „Bundesführer“ der 1994 verbotenen Wiking-Jugend. Im NSU-Prozess hat Nahrath bereits mehrmals Verteidigerin Schneiders vertreten. Der Strafsenat hatte bislang nur der Hauptangeklagten Beate Zschäpe drei Pflichtverteidiger zugestanden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false