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Politik: Zeugen Jehovas: Für die Anerkennung als Kirche gilt: Das Verhalten zählt, nicht die Lehre

Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas hat am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Teilerfolg erzielt. Der Zweite Senat hob einstimmig ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Berlin von 1997 auf, mit dem die Gleichstellung der Religionsgemeinschaft mit den anerkannten Kirchen in Deutschland abgelehnt wurde.

Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas hat am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Teilerfolg erzielt. Der Zweite Senat hob einstimmig ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Berlin von 1997 auf, mit dem die Gleichstellung der Religionsgemeinschaft mit den anerkannten Kirchen in Deutschland abgelehnt wurde. Die damals geforderte Staatsloyalität verlange das Grundgesetz nicht, so der Zweite Senat.

Das Bundesverwaltungsgericht Berlin muss den Antrag der Zeugen Jehovas auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nun noch einmal prüfen. Ob es dann aber zu einer Gleichstellung mit den beiden großen Kirchen sowie rund 30 anderen kleinen christlichen Gemeinden in Deutschland kommen wird, ist allerdings offen. Denn in seinem einstimmigen Urteil hat der Zweite Senat erstmals die Voraussetzungen benannt, wann die Anerkennung einer Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts abgelehnt werden kann.

Eindeutig verlangen das Verfassungsgericht die "Rechtstreue" der Religionsgemeinschaften und die Gewährleistung der "fundamentalen Verfassungsprinzipien". Darüber hinaus wird die Anerkennung der Grundrechte Dritter gefordert. In Anspielung auf die den Zeugen Jehovas vorgeworfenen autoritären Erziehungsmethoden und die Verweigerung von Bluttransfusionen auch bei Kindern, stellt das Urteil fest, dass das Grundgesetz den Staat "verpflichtet, menschliches Leben und die körperliche Unversehrtheit zu schützen". Kinder könnten den staatlichen Schutz ihrer Grundrechte beanspruchen; dabei bilde "das Kindeswohl den Richtpunkt für den staatlichen Schutzauftrag".

Im Hinblick auf die von einigen islamischen Religionsgemeinschaften nicht anerkannte Trennung von Kirche und Staat heißt es in der Grundsatzentscheidung: Das Grundgesetz verbietet die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts, "die nicht die Gewähr dafür bietet, dass das Verbot einer Staatskirche sowie die Prinzipien von Neutralität ... unangetastet bleiben". Entscheidend sei bei der Beurteilung nicht der Glaube, sondern das Verhalten der Religionsgemeinschaft. Dass die Zeugen Jehovas die Teilnahme an Wahlen ablehnen, genüge dagegen nicht. Denn die Gemeinschaft wolle keine andere Staatsform, sondern verfolge im Gegenteil einen "apolitischen Lebensentwurf". Von Bedeutung kann allerdings der von den Behörden erhobene Vorwurf sein, die Zeugen Jehovas setzten austrittswillige Mitglieder unter Druck und beeinträchtigten durch ihre Erziehungspraktiken das Kindeswohl. (Az: 2 BvR 1500/97)

ukn

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