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Politik: Zu alt für die Pflegekasse?

Die Deutschen leben immer länger. Das ist ein Problem für die Versicherung. Jetzt könnte das Privatvermögen herangezogen werden

Von

Von Antje Sirleschtov

und Ursula Weidenfeld

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit: Nach Kranken- und Rentenversicherung hat jetzt in Berlin der Streit um die Pflegeversicherung begonnen. Genau wie die anderen beiden Sozialversicherungen ist die 1995 vom damaligen Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) eingeführte, paritätische Versicherung nach Meinung aller Experten dauerhaft nicht auf die demografische Entwicklung in Deutschland vorbereitet.

Der Grund ist einfach: In einer zunehmend alternden Gesellschaft müssen immer weniger junge Menschen das Pflegesystem für immer mehr ältere finanzieren. Die Folge: Bald wird der Beitrag von 1,7 Prozent des Lohnes und Gehaltes nicht mehr zur Deckung der Ausgaben ausreichen. Finanzmangel, Staatszuschüsse und Beitragserhöhungen sind vorprogrammiert. Und welche Folgen ein solch marodes System für die Pflegebedürftigen dann haben wird, das ahnen schon heute viele, die in die Versicherung einbezahlt haben, im Notfall jedoch keine adäquate Leistungsabsicherung erhalten.

Deshalb soll sich die Rürup-Kommission auch mit der Pflegeversicherung und deren Zukunftsfestigkeit befassen. Natürlich heißt das noch nicht, dass sich die Deutschen in Zukunft privat für Pflegerisiken versichern müssen. Das sagt zumindest Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD). „Wir wollen die Pflegeversicherung nicht abschaffen“, so eine Sprecherin Schmidts am Freitag in Berlin. Die Regelung erfülle eine wichtige Aufgabe und stehe auf solider finanzieller Basis. Nach einem Bericht des „Handelsblattes“ hat die Rürup-Kommission aber andere Pläne. Zumindest erwäge sie die Umwandlung des heutigen Solidarsystems in eine verpflichtende kapitalgedeckte Versicherung. Eine Versicherung also, die jeder für sich abschließen müsste. Die Arbeitgeber würden ihre Anteile für die Versicherung dann den Mitarbeitern mit dem Gehaltszettel überweisen.

DGB-Sozialexpertin Ursula Engelen-Kefer meint außerdem, eine Anrechnung der persönlichen Einkommensverhältnisse bei der Leistungsgewährung, wie sie Ulla Schmidt möchte, ist „innerhalb des Versicherungssystems nicht zu machen“. Eine solche Anrechnung von Einkommen und Vermögen sei nur denkbar, wenn die Pflegeversicherung „in ein steuerfinanziertes Leistungssystem überführt würde“, sagte Engelen-Kefer dem Tagesspiegel. In einem solchen Fall müsse aber darauf geachtet werden, dass am Ende nicht die Sozialhilfe zum Maß für eine Leistung werde: „Dann wären wir wieder da, wo wir angefangen haben. Und wir haben für die Einführung der Pflegeversicherung gesprochen, weil wir Pflegefälle nicht zu Armutsfällen machen wollten.“

Schätzungen zufolge sind bundesweit über 1,9 Millionen Menschen ständig auf Pflege angewiesen. Die Tendenz ist steigend. Durch ihre Beitragszahlungen erwerben die Versicherten einen Rechtsanspruch darauf, dass sie im Falle von Pflegebedürftigkeit Hilfe erhalten. Als pflegebedürftig gilt nach dem Gesetz, wer bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens dauerhaft, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem Maße auf Hilfe angewiesen ist.

Entsprechend der Pflegebedürftigkeit gibt es drei Pflegestufen. Die Begutachtung nimmt der Medizinische Dienst der Krankenkassen vor. Die Leistungen der Pflegeversicherung umfassen eine ambulante und eine stationäre Pflege. Bei der ambulanten Pflege kann der Betroffene zwischen Geld- und Sachleistung wählen. Das Geld kann er etwa an pflegende Angehörige zahlen. Bei der Sachleistung bekommt er Hilfe durch einen Pflegedienst. Wenn stationäre Pflege erforderlich ist, zahlt die Pflegeversicherung 1023, 1279 oder 1432 Euro. In Härtefällen gibt es bis zu 1688 Euro monatlich.

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