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Politik: Zu dumm für die Natur

Von Ingrid Müller

Wasser überall, wo es nicht hingehört: Regionen wie Tirol, die wir als reizvolles Ziel für einen Bergurlaub kennen, sind eine riesige Seenlandschaft. Durch Bad Tölz, für viele Menschen Inbegriff eines idyllischen Städtchens, schieben sich unglaubliche Wassermassen. Die Menschen, die dort wohnen, haben Angst. Und mit ihnen zittern wir alle an den Fernsehern, die uns die dramatischen Bilder nach Hause bringen. Wieder einmal. Von Jahrhundertflut ist die Rede, von Hochwasser, wie es alle 300 Jahre vorkommt. Und uns alle beschleicht ein ungutes Gefühl. Die Jahrhundertfluten kommen inzwischen im Abstand weniger Jahre. 1997 die Oderflut, 1999 das Pfingsthochwasser, 2002 die Flut an Elbe und Donau. Und nun das. Müssen wir damit leben?

Ja, wir werden es wohl müssen. Nun hat es wenig Sinn, apokalyptische Szenarien zu entwerfen, denn sie verführen zum Nichtstun. Das Wasser sucht doch immer nur bestimmte Regionen heim – und es ist recht schnell nicht mehr zu sehen. Irgendwie haben wir uns auch an Dürrebilder aus dem Süden Europas schon gewöhnt. Doch Forscher warnen. Die Versiegelung der Böden, das Abholzen von Wäldern in bestimmten Regionen – der Hang dazu, der Natur etwas abzutrotzen, wo wir ihr besser etwas Platz ließen, sind Gründe dafür, dass das Wasser Städte bedroht. Es ist aber auch das sich wandelnde Klima. Wir werden, so sagen die Experten, immer öfter so extreme Wetterlagen haben. Es wird seltener wochenlang regnen, dafür häufiger Sturzfluten vom Himmel geben.

Das werden wir nicht verhindern können, der Klimawandel hat längst begonnen. Aber wir können – und müssen – gegensteuern. Damit es nicht so schlimm kommt, wie es kommen könnte. Wir müssen uns aber auch auf jene Folgen einstellen, die wir nicht mehr verhindern können. Da sind alle, Bürger und Politiker, gefragt.

Politiker aller Couleur haben schon ihre Gummistiefel angezogen – diesmal auch Edmund Stoiber ganz rasch –, und versprechen in den Flutgebieten vor den Kameras schnelle Hilfe. Die Bundeswehr packt an. Unterstützung muss sein. Die Menschen, deren Häuser unter Wasser stehen, deren Autos davonschwimmen, dürfen nicht allein gelassen werden.

Aber das reicht nicht.Wir müssen weiter denken. Weiter als das Hochwassergesetz, weiter als die Regelung von Kompetenzen. Wir bauen die Dämme nach jeder Flut ein bisschen höher, errichten Häuser an gleicher Stelle wieder. Wie lange noch? Ist das sinnvoll? Nehmen wir die Forscher ernst, muss es wohl heißen: auf Dauer nein. Noch meinen wir, uns das leisten zu können, aber in einigen Gebieten können Häuser schon nicht mehr versichert werden.Vielleicht muss demnächst auch die Tölzer Familie, die wenig idyllisch hinter Sandsäcken den reißenden Strom vor ihrem Fenster verfolgt, umziehen. Wir bauen auch nicht im Wattenmeer, denn da kommt alle zwölf Stunden die Flut. Flüsse werden künftig vielerorts breitere Betten brauchen. Das werden keine einfachen Diskussionen – nicht zuletzt für größere Städte. Aber wir müssen sie führen.

Und wir müssen den Klimaschutz ernst nehmen. Das heißt, international für konkrete Kohlendioxid-Reduktionsziele kämpfen, Kyoto war nur ein symbolischer Start. Das heißt, konsequent erneuerbare Energien fördern. Das heißt, unseren Lebensstil ändern. Das kostet Zeit und Kraft. Aber erinnern wir uns: Sparsame Autos wollten erst auch nur Umweltschützer. Heute sind die meisten froh, dass es sie gibt.

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