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Hueppe

© dpa

Patientenverfügung: "Zu gefährlich oder zu kompliziert"

Der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe fordert, auf eine gesetzliche Regelung für die Patientenverfügung ganz zu verzichten.

Nach einem Streit um Abstimmungsmodalitäten ist offen, ob sich der Bundestag vor der Wahl noch mit dem Thema Patientenverfügungen befasst. Tut er es, dann müssen die Abgeordneten auch über den Antrag entscheiden, alles zu lassen, wie es ist. Initiiert hat ihn der CDU-Politiker Hubert Hüppe.

Herr Hüppe, was stört Sie denn an den vorliegenden drei Anträgen für ein Patientenverfügungsgesetz?

Entweder sie sind zu gefährlich oder zu kompliziert. Die Anhörung und die jahrelange Diskussion haben gezeigt, dass es Bereiche gibt, die sich einer gesetzlichen Regelung entziehen. Und hier handelt es sich um einen solchen Fall, in dem es besser ist, als Gesetzgeber auch mal zurückhaltend zu sein.

Ist es denn besser, wenn das zufällige Kräfteverhältnis am Krankenbett über Leben oder Tod entscheidet?

Dies wäre der Fall, wenn der Antrag des SPD-Kollegen Stünker zum Zuge käme. Deshalb ist er aus meiner Sicht – ich bin ja auch Behindertenbeauftragter – der gefährlichste. Denn hier ist vorgesehen, dass es im Falle einer fehlenden Patientenverfügung für den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen auch reicht, wenn sich Betreuer und Arzt darüber einig sind – ohne gerichtliche Prüfung. Im Extremfall läge die Entscheidung über Leben und Tod eines Pflegeheimbewohners ohne Angehörige dann bei einem Berufsbetreuer und einem Arzt, der den Patienten nur sporadisch behandelt hat.

Aber bisher befinden sich die Vormundschaftsgerichte genauso in einer Grauzone. Die Juristen haben ja selber nach gesetzlicher Klärung gerufen.

Wenn ich der Überzeugung wäre, dass man das gesetzlich regeln könnte, wäre ich ja dafür. Ich war im Übrigen auch schon mal dafür und habe selber eine sehr umfangreiche gesetzliche Regelung gefordert. Inzwischen habe ich aber erkannt, dass feste Vorgaben niemals die vielen Besonderheiten berücksichtigen könnten und sich folglich eher gegen den Patienten wenden würden. Außerdem könnte – und hier spreche ich wieder als Behindertenbeauftragter – dadurch Druck entstehen, Patientenverfügungen auszufüllen, die sich hinterher gegen einen richten. Das will ich auf keinen Fall.

Welchen Druck meinen Sie?

Das fängt schon in der Partnerschaft an. Wenn ein Patient erklärt, seiner Frau nicht zumuten zu wollen, ihn im Koma länger als zehn Jahre zu pflegen, dann wird diese Frau schwer schreiben können, ich mute dir 15 Jahre zu. Und natürlich wird auch Druck entstehen, solche Verfügungen zu verfassen. Schließlich entledigt man dadurch ja Bekanntenkreis und Gesellschaft von unschönen Pflichten und Kosten. Es ist interessant, dass sich keiner dieser Gesetzentwürfe mit der Situation beschäftigt, dass ein Patient in seiner Verfügung womöglich auch stehen haben könnte: Ich will alles.

Im Antrag Ihres Parteifreunds Bosbach ist eine verpflichtende ärztliche Beratung vorgesehen. Außerdem sollen Verfügungen nur gelten, wenn die Krankheit irreversibel in Tod oder Bewusstseinsverlust mündet.

Wenn das so wäre, hätte ich keine Probleme damit. Aber auch dieser Antrag wurde mehrfach geändert. In einem großen Bereich hat er jetzt leider keine Reichweitenbegrenzung mehr – nämlich dann, wenn eine ärztliche Beratung vorausgegangen ist. Und auch ohne ärztliche Beratung verfasste Verfügungen sollen gelten, wenn man davon ausgeht, die Kranken kämen nicht mehr zu Bewusstsein. Das ist eine sehr fragwürdige Regelung. Der Antrag will sicherlich Gutes und stellt auch den Lebensschutzgedanken wesentlich höher als die anderen. Aber er ist so kompliziert, dass er mehr Verwirrung schaffen würde, als jetzt schon besteht.

Was ist mit den Ärzten, die sich vom Gesetzgeber in den schwierigen Entscheidungen allein gelassen fühlen?

Die meisten Ärzte, die ich kenne, wollen – wie auch der Präsident der Bundesärztekammer und der Vorsitzende des Marburger Bundes – kein Gesetz. Die Pflegeleiterin einer Wachkoma-Station sagte mir, dass viele ihren Beruf infrage stellen würden, wenn sie ihre Patienten verhungern lassen müssten, nur weil zwei Leute behaupten, dies entspreche einem mutmaßlichen Willen. Wer wirklich nahe am Patienten ist, will das nicht bis ins Letzte von oben herab geregelt haben. Es kann ja auch Situationen geben, wo ein Patient zwar eine Verfügung verfasst hat, dies aber zu dem Zeitpunkt, in dem er sich nicht mehr artikulieren kann, womöglich ganz anders sehen würde.

Sind Sie generell gegen Patientenverfügungen oder meinen Sie nur, das ist schon jetzt ganz gut geregelt?

Nein, generell bin ich nicht dagegen. Und ich behaupte auch nicht, dass das jetzige Recht alle Fälle löst. Aber zu glauben, dass sich per Gesetz künftig jede Überbehandlung verhindern lässt, ist eine Illusion. Wir können die Behandlung jedes Individuums nicht bis zur letzten Lebensminute regeln und uns in Sicherheit wiegen. Das wissen wir aus allen Ländern, in denen es bereits detaillierte gesetzliche Regelungen und Aufforderungen zum Ausfüllen von Patientenverfügungen gibt. Ich bin sicher: Die jetzt vorliegenden Entwürfe würden die Situation verschlimmern. Es gäbe mehr Fälle, in denen sich die Verfügungen gegen die Interessen der Patienten richten würden, als bisher.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

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