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Politik: Zugespitzelt

Von Matthias Meisner und Hans Monath Nach all den Pannen hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern im NPD-Verfahren vorgenommen, extra gründlich zu arbeiten. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht sehr empfindlich auf die Enthüllung reagiert, dass unter den von der Anklage zitierten Rechtsradikalen auch V-Männer des Verfassungsschutzes waren – ohne dass sie als solche in Karlsruhe benannt worden wären.

Von Matthias Meisner

und Hans Monath

Nach all den Pannen hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern im NPD-Verfahren vorgenommen, extra gründlich zu arbeiten. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht sehr empfindlich auf die Enthüllung reagiert, dass unter den von der Anklage zitierten Rechtsradikalen auch V-Männer des Verfassungsschutzes waren – ohne dass sie als solche in Karlsruhe benannt worden wären.

Nun wollen die Anwälte von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung die Richter davon überzeugen, dass die rechtsextreme Partei nicht durch staatliche Organe gelenkt ist: Zwar nicht die n, aber doch die Gesamtzahl der eingesetzten V-Männer wollen sie laut „Spiegel“ offenbaren. Die interne Aufstellung der Spitzelquote brachte freilich ein Ergebnis, das manche Politiker als fatal für den Prozessausgang ansehen: Jeder siebte Top-Funktionär der Partei ist auch Spitzel eines Landesamtes oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz. 30 der insgesamt 210 Mitglieder der Landes- und Bundesvorstände der Nationaldemokraten sowie ihrer Nachwuchsorganisationen Junge Nationaldemokraten arbeiten demnach für die Nachrichtendienste.

Die FDP, die von Anfang an vor dem Verbotsantrag gewarnt hatte, sieht sich in ihrer Forderung nach Einstellung des Verfahrens bestätigt. „Eine hohe V-Mann-Dichte beinhaltet immer die Gefahr der Steuerung radikaler Organisationen“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, der sich als ehemaliger Staatsschutz-Mitarbeiter in der Materie auskennt. Allein mit der Nennung der Zahl werden sich die Karlsruher Richter nicht zufrieden geben, vermutet der ehemalige Oberstaatsanwalt: „Das ist bestimmt kein Allheilmittel.“ Schon jetzt sei das Ziel gescheitert, die rechtsradikale Partei vor der Bundestagswahl zu verbieten und ihr damit die Wahlkampfkostenerstattung zu entziehen: „Nutznießer dieses Verfahrens ist bislang leider nur die NPD, weil es keine Debatte über eine politische und erzieherische Bekämpfung des Rechtsradikalismus mehr gibt“, sagt van Essen. Deutliche Worte findet auch Rupert Scholz, der Rechtsexperte der Union: Entweder sollten die V-Leute des Verfassungsschutzes enttarnt oder der Verbotsantrag zurückgezogen werden, verlangt er.

Auch in der PDS scheint man zu ahnen, dass die V-Leute-Affäre das NPD-Verbot aufs Spiel setzt. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die in ihrer Partei für das Festhalten am Verbotsverfahren streitet, legte eine Studie vor, in der die Rolle der V-Leute in der NPD beleuchtet wird. Die Duisburger Rechtsextremismus-Forscher Martin Dietzsch und Alfred Schobert analysieren darin vor allem die Tätigkeit der V-Leute Wolfgang Frenz und Udo Holtmann, die in hohen Funktionen in der NPD gewirkt haben. Fazit der Autoren: Die V-Mann Praxis „führte letztendlich dazu, die NPD zu stärken statt sie zu schwächen, und sie erbrachte geheimdienstliche Informationen, die zuvor von der NPD-Führung gefiltert waren und deren Wert auch deshalb mehr als zweifelhaft gewesen sein dürfte“. Die Risiken für das Verfahren bestreiten die Duisburger Wissenschaftler nicht. Sie argumentieren aber, die V-Männer seien nicht vom Verfassungsschutz angestiftet worden. „Vielmehr verkörperten die beiden exponierten NPD-Funktionäre (…) Personen, die man zu nichts anstiften kann, weil sie ohnehin zu allem bereit sind. Die NPD war keine Marionette, die an den vom Geheimdienst gezogenen Strippen zappelte.“

Jelpke appelliert, in der V-Mann-Affäre die Karten auf den Tisch zu legen. „Es ist eine Unverschämtheit, wenn die Innenminister den Schutz dieser braunen Spitzel auch jetzt noch höher stellen als das öffentliche Interesse an einem Verbot der Neonazi-Partei.“

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