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Politik: Zuwanderung: Schilys Dilemma

Während CDU und CSU weiter wenig Chancen auf einen Kompromiss im Streit um die Zuwanderung sehen, haben sich zahlreiche Experten vor dem Bundestag für die baldige Verabschiebung des Regierungsentwurfes ausgesprochen. Zwar wollte Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber eine Einigung in der Zuwanderungsfrage am Mittwoch in Wildbad Kreuth nicht ausschließen.

Während CDU und CSU weiter wenig Chancen auf einen Kompromiss im Streit um die Zuwanderung sehen, haben sich zahlreiche Experten vor dem Bundestag für die baldige Verabschiebung des Regierungsentwurfes ausgesprochen. Zwar wollte Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber eine Einigung in der Zuwanderungsfrage am Mittwoch in Wildbad Kreuth nicht ausschließen. Allerdings sei der Entwurf von Innenminister Schily keine Grundlage, sagte Stoiber. Rot-Grün müsse der Opposition entgegenkommen. So müsse die Regierung erklären, wie die Integration von Ausländern finanziert werden solle. Schärfer äußerte sich hingegen CSU-Landesgruppenchef Michael Glos: Eine Einigung sei nur möglich, "wenn die Regierung den Entwurf von CDU und CSU ohne Punkt und Komma übernimmt."

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte die Union auf, ihren Schlingerkurs in der Zuwanderungsfrage zu beenden. Vor allem Stoiber müsse nun endlich klar zu verstehen geben, "was Sache ist". Die Grünen seien weiter zur Diskussion bereit. Allerdings dürften die Kernpunkte des Gesetzentwurfes nicht in Frage gestellt werden. Roths Parteikollege, Innenexperte Cem Özdemir, sieht indes keine Chance mehr für einen Konsens in dieser Legislaturperiode. Der Zeitpunkt, um noch vor den Wahlen ein "vernünftiges Gesetz" zu verabschieden, sei verpasst worden.

Das Gesetz soll im Februar in zweiter und dritter Lesung im Bundestag verabschiedet werden. Im März wird dann der Bundesrat darüber abstimmen. Nächste Woche will sich Innenminister Schily erneut mit Politikern aus Union und FDP treffen, um doch noch einen Kompromiss auszuloten. Er halte eine Verständigung mit der Opposition nach wie vor für möglich, sagte Schily am Mittwoch. Jeder müsse sich die einfache Frage stellen: "Ist der jetzige Rechtszustand besser oder der künftige?"

Für die meisten Experten, die sich in der Bundestags-Anhörung zum Zuwanderungsgesetz äußerten, war die Antwort eindeutig: der künftige Zustand sei besser, so der überwiegende Tenor. Das Gesetz, so es denn umgesetzt werde, sei eine "bahnbrechende Politikwende" sagte Zuwanderungsexperte Klaus Bade von der Universität Osnabrück. Selbst bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit gebe es in bestimmten Wirtschaftsbereichen einen hohen Bedarf an Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Deutschland stehe mit anderen Ländern in einem Wettbewerb um die besten Köpfe. Da dürfe es keine Behinderungen für ausländische Interessenten wie etwa das geringe Nachzugsalter geben. Der Zuwanderungsfachmann des BDI, Robert Henkel, kritisierte die "Stammtischparolen" der Union, die versuche, Arbeitslose gegen Einwanderer auszuspielen. Die insgesamt 17 Sachverständigen stimmten überein, dass es kein Zurück zu den Fehlern der alten Gastarbeiterpolitik geben dürfe.

Etliche Experten kritisierten, dass jenen Menschen, denen künftig ein Abschiebeschutz gewährt wird, der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt werde. Auch sie müssten in der Lage sein, sich ihren Aufenthalt in Deutschland selbst finanzieren zu können, mahnte der DGB-Vertreter Volker Roßocha. Grundsätzlich gegen den Regierungsentwurf sprachen sich nur der Bielefelder Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg und der Rechtsprofessor Christian Hillgruber aus. Schilys Pläne würden die Probleme der Zuwanderung und der Integration eher verschärfen, sagte Birg.

Markus Feldenkirchen

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