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Politik: Zwischen den Fronten

Den Milizen sind sie entkommen. Aber auch rund um die Flüchtlingslager ist die Gewalt Alltag

Mehr als zwei Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit 2003 vor den mordenden Milizen in der westsudanesischen Provinz Darfur geflohen. Die Flüchtlingslager seien fast voll, zum Teil müssten Flüchtlinge abgewiesen werden. Allein in diesem Jahr seien bereits 80 000 Menschen vor der Gewalt in ihrer Heimat geflüchtet, berichtete gerade erst das UN- Büro für die Koordinierung humanitärer Hilfe. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) äußerte sich besorgt über die „bedenkliche“ humanitäre Situation.

Rund um die Stadt Al Fascher sind die Flüchtlingslager Abu Schok, As Salaam und Zamzam entstanden, die Bevölkerung der Stadt hat sich so praktisch verdoppelt. Die meisten Flüchtlinge leben dort seit mehr als zwei Jahren, Neuankömmlinge werden nicht mehr aufgenommen. Wer es bis hierher geschafft hat, ist aber nicht sicher vor Gewalt. Im Sommer 2006 wurde die Lage in Al Fascher immer gefährlicher. Mitglieder der Dschandschawid-Reitermilizen bedrohten immer öfter Händler auf dem Markt. Sie bezahlten die Ware nicht, erschossen stattdessen die Besitzer, wie Augenzeugen dem Tagesspiegel berichteten. Muslimische Geschäftsleute wurden gezwungen, Milizionären während des Ramadan tagsüber Mahlzeiten zu kochen.

Im Dezember 2006 verließen die meisten Ausländer Al Fascher für einige Zeit. Zurück blieben die Flüchtlinge, die gehofft hatten, in den Lagern endlich in Sicherheit zu sein. Fast jeder von ihnen hat Angehörige verloren, als die Dschandschawid die Dörfer niederbrannten und die Bewohner verfolgten, die sich ihnen nicht beugen wollten. Trotz regelmäßiger Versorgung mit Nahrungsmitteln durch das Welternährungsprogramm WFP, gibt es sehr viele Unterernährte, vor allem Kinder. In den Lagern um Al Fascher werden einmal im Monat Lebensmittel verteilt. In anderen Teilen Darfurs ist den Helfern nicht einmal das möglich.

Viele, die bis in die Flüchtlingslager gekommen sind, geben trotzdem nicht auf. Beobachter sind oft fassungslos, wie viel Leid die Menschen tragen. Mit einem „Inschallah“ auf den Lippen und der Bemerkung „so war das eben, und es wird besser werden“, machten sich viele täglich auf den Weg, erzählen sie. Oft, um stundenlang für einen Kanister Wasser anzustehen. Andere versuchen, als Wächter oder Fahrer bei Hilfsorganisationen oder in der Stadt Arbeit zu finden. Manche haben sogar kleine Stände auf dem Markt, bieten Tomaten oder Zwiebeln an. Wer in Al Fascher etwas kaufen will, muss oft mehr bezahlen als in der Hauptstadt Khartum, denn wer sich auf den Weg dorthin macht, lässt sich dafür eine Gefahrenzulage zahlen. Manche Flüchtlinge haben einen Teil ihres Viehs retten können. Die Ziegen, Schafe und Esel ernähren sich von Dornbüschen in der kargen Wüstenlandschaft – oder fressen Abfall und Plastik auf den Müllhalden. Wiesen gibt es nicht.

Aber selbst, wenn die Dschandschawid auf Abstand bleiben, ist die Gewalt allgegenwärtig. Manche, die dort leben, sprechen von einem Krieg ohne klare Linien. Denn auch die Rebellen der „ Befreiungsarmee“ kämpfen nicht mehr gemeinsam gegen die Dschandschawid, die von der Regierung unterstützt werden, berichten Menschen aus der Region. Die SLA um Abdul Wahid hat das sogenannte Friedensabkommen im Gegensatz zur SLM um Mini Minnawi nicht unterschrieben. Mit MGs bewaffnete Männer auf Pick-ups, Soldaten, Polizisten und Rebellen mit Kalaschnikows gehören zum Alltag. Tsp

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