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Brandenburg: Aids-Experte: Symptome werden nicht erkannt

Doktor Wolfgang Güthoff aus Potsdam fordert Ärzte auf, früher auf HIV zu testen. Auch Hausärzteverband sieht Nachholbedarf

Von Matthias Matern

Potsdam - Eine HIV-Infektion wird Experten zufolge im Land Brandenburg deutlich später fesgestellt als im restlichen Bundesgebiet. Während deutschlandweit in etwa 60 Prozent der Fälle eine Diagnose zu spät für eine besonders wirksame Therapie gestellt wird, sei dies im Land Brandenburg bei etwa 80 Prozent der Infizierten der Fall, erklärte der brandenburgische HIV- und Aids-Experte Doktor Wolfgang Güthoff vom Potsdamer Ernst von Bergmann Klinikum den PNN. Der Grund sei, dass nach wie vor einige Ärzte typische Symptome einer HIV-Infektion wie „hohes Fieber und eventuell auch Lymphknotenschwellung“ nicht als solche erkennen. Zudem geben es auch Berührungsängste, sagte Güthoff weiter. So würden einige Allgemeinmediziner Patienten mit Infektionsverdacht lieber an andere Kollegen verweisen, als selbst tätig zu werden.

Dabei sei eine rechtzeitige Erkennung von HIV nicht nur entscheidend, um die Ansteckung anderer Menschen zu verhindern, so Güthoff weiter. Zwar ermögliche die moderne Medizin HIV-Positiven, ein weitgehend uneingeschränktes Leben ohne schwere Folgeerkrankungen, sogenannte AIDS–definierende Erkrankungen, zu führen, dafür sei aber eine frühe Diagnose Voraussetzung. „Deshalb müssen wir die Ärzte für das Thema sensibilisieren. Wir wollen sie dazu motivieren, dass sie schneller mal einen HIV-Test machen, wenn ein Patient mit einer AIDS–definierenden Erkrankung oder mit AIDS-Indikator-Symptomen in die Praxis kommt“, rät der Spezialist.

Professor Ulrich Schwantes, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Brandenburg, räumt durchaus Nachholbedarf ein. „Natürlich muss man eigentlich auch an eine HIV-Infektion denken, wenn ein Patient mit hohem Fieber und Lymphknotenschwellung kommt. Es ist aber leider so, dass die nicht so häufigen Krankheitsbilder schneller übersehen werden“, glaubt Schwantes. Wenn viellleicht auf 2000 Patienten ein HIV-Positiver kommt, würden viele Ärzte bei gewissen Symptomen eben eher erst einmal an irgendeinen anderen Infekt denken statt an HIV. „Ich halte es deshalb auch für sinnvoll, dass Thema stärker in die Fortbildungsprogramme aufzunehmen, und wir bieten uns dabei gerne als Partner an“, sagt der Verbandsvorsitzende. Man müsse regelmäßig darauf hinweisen, dass es die Krankheit auch auf dem Land gibt.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Zahl der HIV-Infektionen in Brandenburg aber tatsächlich gering. Für Ende 2011 geht das Robert Koch Institut (RKI) in Berlin von rund 550 HIV-Positiven aus. Für Berlin selbst meldet das RKI dagegen 14 900, für Thüringen nur 450 Fälle. In Schleswig-Holstein sind es laut RKI 1200, in Baden-Württemberg 7800 und in Hessen 5400 Infizierte.

Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember findet am heutigen Mittwoch in Potsdam die 11. Fachtagung „HIV und Aids in Brandenburg“ statt. Dabei wird die Deutsche Aids-Hilfe auch Ergebnisse einer eigenen Studie präsentieren, die zeigen, dass es Ärzten gelegentlich nicht nur an Erfahrung fehlt, sondern auch an Courage. In knapp 1200 Interviews mit HIV–Patienten, die in diesem und im vergangenen Jahr bundesweit geführt wurden, gaben 19 Prozent der Befragten an, dass ihnen wenigstens einmal in den vergangenen zwölf Monaten ein Gesundheitsdienst verweigert worden sei, vor allem von Zahnärzten und Gynäkologen. „Etwa 18 Prozent davon haben nach dem negativen Erlebnis auf einen weiteren Arztbesuch verzichtet“, berichtet Carolin Vierneisel von der Deutschen Aids-Hilfe.

Eine Erfahrung, die man auch bei der Aids-Hilfe Potsdam bereits gemacht hat. „Immer wieder berichten uns Klienten, dass sie von einem Zahnarzt abgewiesen wurden oder mit Verweis auf die anschließend notwendige Grundreinigung des Behandlungszimmers nur den letzen Termin bekommen haben“, sagt Sabine Frank, Leiterin der Potsdamer Aids-Hilfe.

Ein abwegiges Argument, findet Carolin Vierneisel. Wenn man die üblichen Sicherheitsmaßnahmen einhalte, gebe es kein Übertragungsrisiko. „Aber das eine ist das Wissen im Kopf und das andere das Wissen im Bauch“, schätzt Vierneisel.

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