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Brandenburg: Den Westen Europas im Blick

Südengland wirbt vor allem mit seinen Universitäten um Investoren und Firmengründer – ein Modell für Berlin-Brandenburg?

Von Markus Hesselmann

Alles schaut zurzeit nach Osten. Schließlich vergrößert sich die Europäische Union im Mai vor allem in diese Richtung. Gleichzeitig bröckelt sie im Westen. Die Briten sind EU-müde. Ein Europa als gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne politisches Gewicht wäre vielen von ihnen lieber. Sie würden ungern ihre Souveränität mit europäischen Nachbarn teilen, doch handeln sie gern mit ihnen. Gestern kam eine englische Delegation nach Berlin, um für ihre investorenfreundliche Region rund um London zu werben. Der Auftritt in der Britischen Botschaft wurde von der Reklameschau rasch zur Schulstunde für Berlin-Brandenburg.

„Wenn wir bei den Löhnen mit Osteuropa konkurrieren wollen, dann haben wir schon verloren“, sagt Michael Gooch, der bei der südenglischen Entwicklungsgesellschaft Seeda für die internationalen Kontakte zuständig ist. Seine Region setze auf hochwertige statt auf billige Arbeit. Im Mittelpunkt der Werbung um Investoren und Firmengründer stehen bei ihm die Universitäten, nicht nur die weltweit renommierten in Oxford und Cambridge, sondern zum Beispiel auch Brighton, Canterbury oder Reading. An jeder Universität unterhält die Seeda so genannte Enterprise Hubs, Anlaufpunkte für Investoren und Gründer. Sie können dort komplett eingerichtete Büros günstig mieten und sich umfassend beraten lassen. „Gerade Forschern und Ingenieuren fehlt es oft an Wissen in Betriebswirtschaft und Marketing. Hier setzen wir an“, sagt Greg Ward, der Erfinder und Leiter des Programms. Sein Ziel ist es, dass aus Ideen, die Forscher an den Universitäten ausbrüten, Produkte und Dienstleistungen werden, die am Markt bestehen können. 108 neue Firmen hätten sich im vergangenen Jahr auf diesem Wege in Südengland gegründet. Zehn Prozent davon seien ausländischer Herkunft. Insgesamt nehmen derzeit eintausend Unternehmen an dem Programm teil.

Berlins Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch vertrat die Region Berlin-Brandenburg bei der Veranstaltung in der Britischen Botschaft. Er fand das System der Anlaufstellen sehr beeindruckend und hält es für durchaus übertragbar. Er sieht allerdings ein Mentalitätsproblem. „In Deutschland galt es für Professoren lange als anrüchig, mit Firmen zu kooperieren“, sagte Strauch. Das sei nicht zuletzt eine Tradition der Achtundsechziger und ändere sich erst jetzt langsam. Großbritannien sei Deutschland da um eine Generation voraus.

Höchste Zeit, wieder einmal nach Westen zu schauen.

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