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Stadtansicht von Frankfurt (Oder). Durch die Europauniversität Viadrina leben in der Grenzstadt zu Polen viele Nationalitäten zusammen.

© Patrick Pleul/dpa

Endspurt für die Doppelstadt: Frankfurt will das Zukunftszentrum an die Oder holen

In Berlin wurde noch einmal die Werbetrommel für Frankfurt (Oder) als Standort für das Europäische Zukunftszentrum gerührt

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Es geht um eine 200-Millionen-Euro-Investition: So viel Geld will die Bundesregierung bekanntlich für das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ ausgeben. Und in den kommenden Wochen wird sich entscheiden, welche Stadt in Ostdeutschland den Zuschlag für das Prestigeprojekt erhält: Halle, Eisenach, Jena, Leipzig und Plauen – oder Frankfurt (Oder)? Geht es nach den über 160 Menschen, die sich am Donnerstagabend im großen Saal der Brandenburger Landesvertretung in den Berliner Ministergärten versammelt hatten, ist die Entscheidung schon gefallen. Und zwar für Frankfurt (Oder).

Zwei ganze Reisebusse voll

Zwei ganze Reisebusse voll Menschen aus der Grenzstadt waren an diesem Abend nach Berlin gekommen: Denn unmittelbar vor dem Besuch der Jury am kommenden Dienstag rührten Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und Oberbürgermeister René Wilke (Linke) sowie Osteuropa-Experten von der Frankfurter Europa-Universität Viadrina noch einmal kräftig die Werbetrommel für die ehemalige Hansestadt, deren Bewerbung auch von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (beide SPD) unterstützt wird. Schüle, Giffey und Schwesig sind in der Oderstadt an der Grenze zu Polen geboren.

Im Zentrum des Abends stand dabei die Brückenfunktion, die Frankfurt (Oder) nach Osteuropa einnehmen könne. „Unter unterschiedlichen Vorzeichen standen alle Menschen in den postkommunistischen Ländern 1989 vor ähnlichen Herausforderungen“, sagte Schüle. Dazu gehörten neben dem Wechsel vom Kommunismus zur Demokratie und von der Plan- zur Marktwirtschaft eine „beispiellose Arbeitslosigkeit“ ebenso wie Scheidungen, Wegzüge und zerrissene Familien. „Ganze Generationen in Europa kennen das Gefühl, nicht mehr – oder nur noch als billige Arbeitskraft gebraucht, gesehen und gehört zu werden“, sagte die Ministerin.

Der Mauerfall in Berlin sei ohne die Solidarnosc-Bewegung in Polen, das Paneuropäische Picknick an der österreichisch-ungarischen Grenze und die 600 Kilometer lange Menschenkette im Baltikum nicht denkbar gewesen. Deswegen müsse das Zentrum in einer Stadt errichtet werden, die die Grenze nach Osteuropa überbrücke. „Die Doppelstadt Frankfurt (Oder) und Słubice steht geografisch, politisch, wissenschaftlich und menschlich für Grenzüberwindung zwischen Mittel- und Osteuropa“, sagte Schüle.

Ähnlich argumentierte auch Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke. „Frankfurt (Oder) weiß, dass die deutsche Einheit ein großes Glück ist und welcher Gewinn das geeinte Europa ist“, sagte der Oberbürgermeister. Frankfurt (Oder) sei mit seinen Wende- und Nachwende-Erfahrungen nicht nur die Transformationsstadt „per excellence“. Man sei auch „ein Leuchtfeuer der Hoffnung für die europäische Idee.“

Transformation mit Blick auf den Ukraine-Krieg

Einen besonderen Schwerpunt legten alle Beteiligten am Donnerstag auf die Rolle, die ein Transformationszentrum in Frankfurt (Oder) angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine haben könnte. „Wir erleben in den letzten 30 Jahren eine nicht vollendete Revolution, weil ein Teil der Beteiligten bis heute um Freiheit, Zukunft und Rechtsstaatlichkeit kämpfen muss“, sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Templin. „Welche Strategien haben wir für den Übergang, für ein demokratisches Russland?“

Schüle hob hervor, dass an der Viadrina zusammen mit ukrainischen Partnern gerade ein Ukraine-Zentrum errichtet werde, an dem zur Ukraine geforscht und ausgebildet werden solle. Und die ukrainische Wissenschaftlerin Bozhena Kozakevych betonte, dass man auch in Deutschland von der Ukraine lernen könne: „Wie man für eine Demokratie kämpft – und was für ein unglaubliches Krisenmanagement da gerade stattfindet.“ Weswegen die Direktorin des Zentrums für interdisziplinäre Polenstudien an der Viadrina, Dagmara Jajesnik-Quast, den Abend dann auch in einem Satz zusammenfassen konnte: „Aus meiner Sicht erfüllt nur ein Standort die Anforderung, europäische Transformation und deutsche Einheit zusammenzudenken: Und das ist die deutsch-polnische Doppelstadt Frankfurt (Oder) und Slubice.“

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