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Brandenburg: Landtagsneubau: Parlamentsbeschluss missachtet

Die Abgeordneten wollten historische Fassaden – die Architekten durften dies ignorieren

Im Wettbewerbsverfahren für den neuen Brandenburger Landtag ist der politische Wille des Parlaments offenkundig unterlaufen worden. So durften die sechs Konsortien, die sich um den Bau des Landtages am Standort des ehemaligen Stadtschlosses auf dem Alten Markt in Potsdam beworben haben, entgegen einem Parlamentsbeschluss ausdrücklich auch in moderner Architektursprache planen. Das geht aus den Entwurfszielen hervor, die den Konsortien im Rahmen des Wettbewerbs gestellt wurden.

In dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird zwar die „historisch getreue Rekonstruktion der Fassaden der nördlichen Kopfbauten (des Schlosses, d. Red.) am Alten Markt“ gefordert. Auch solle die „Gestaltung und Maßstäblichkeit der historischen Gliederung“ aufgenommen werden. Doch entgegen dem Landtagsbeschluss vom Mai 2005 und auch im Widerspruch zur europaweiten Ausschreibung wird den Konsortien im Abschlusssatz der Entwurfsziele die Möglichkeit eingeräumt, von diesen Vorgaben abzuweichen, ohne Gefahr zu laufen, von dem Verfahren ausgeschlossen zu werden. Bei den formulierten Mindestanforderungen, so heißt es, handele es sich keineswegs um „nicht verhandelbare Eckpunkte“. Es gab also von vornherein und explizit Spielraum für andere Entwürfe.

Dies bestätigt auch der auf Vergaberecht spezialisierte Potsdamer Anwalt Thomas Mestwerdt. Jene Formulierung sei eine Abweichung vom Landtagsbeschluss, der eine weitgehende Annäherung an die Barockarchitektur von Wenzeslaus von Knobelsdorff vorschrieb, und bedeute nichts anderes, als „dass die formulierten Ziele umgesetzt werden können – aber nicht müssen“.

Verantwortet wurde die Ausschreibung vom Finanzministerium unter Rainer Speer (SPD). Dessen Sprecher Ingo Decker bezeichnete die Passage als „vergaberechtlich notwendig“. Damit sollten „Entwicklungsspielräume juristisch abgesichert“ werden. An der Aufgabenstellung durch den Landtagsbeschluss ändere der Passus „überhaupt nichts“.

Dass die Konsortien die eingeräumten Möglichkeiten der Abweichung wie berichtet dazu genutzt haben, fast durchweg Glas- und Betonkonstruktionen für den Landtag zu entwerfen, ist nach Auffassung zweier Jurymitglieder darauf zurückzuführen, dass sie politisch unter Druck gesetzt wurden. Intern sei „offenbar anders kommuniziert worden, als es der Landtagsbeschluss aussagte“, hieß es.

CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek wundert die in der Ausschreibung ermöglichte Entwurfsfreiheit nicht: „Finanzminister Speer war nie Freund einer historischen Fassade, und auch Landtagspräsident Gunter Fritsch war in dieser Frage sehr zurückhaltend.“ Durch den Passus hätten die Konsortien einen „breiten Ermessensspielraum erhalten – dabei war der Landtagsbeschluss eindeutig“, kritisiert Lunacek. Die Lehre daraus müsse sein, „künftig sehr genau darauf zu achten, dass der Wille des Parlaments nicht unterlaufen wird“.

Die Entwürfe der Bewerberkonsortien müssen indessen wegen der inzwischen vom Gründer des Software-Unternehmens SAP, Hasso Plattner, zugesagten Spende von 20 Millionen Euro für die Knobelsdorff-Fassade bis Sommer 2008 ohnehin umgearbeitet werden. Das Land hat Plattner „die größtmögliche Wiederannäherung“ der äußeren Erscheinung des Landtages an die historische Fassade vertraglich zugesichert.

Michael Erbach

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