zum Hauptinhalt

Brandenburg: Ludwig bringt die Opposition in Rage

Brandenburgs CDU-Vorsitzende schreibt die FDP ab und fordert eine wertkonservative Politik. Die Kooperation mit Liberalen und Grünen im Landtag dürfte damit vorbei sein. Und die CDU schweigt.

Potsdam – Die CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig sorgt mit einem Beitrag in der umstrittenen rechtspopulistischen „Junge Freiheit“ für Furore. Der Text, der auch eine klare Kampfansage an die Spitze der Bundes-CDU und damit an Bundeskanzlerin Angela Merkel ist, wird vor allem von der FDP als Affront empfunden.

Mit der in den letzten Monaten sowieso schon abgekühlten Kooperation zwischen den drei Brandenburger Oppositionsparteien dürfte es nach dem Namensartikel der CDU-Chefin auf längere Sicht vorbei sein. Die Brandenburger Liberalen werten den Text als Kampfansage. Denn in ihm wird das Ende der FDP als ernst zu nehmende politische Kraft prognostiziert. Die Liberalen würden „aufgrund einer aktiv betriebenen Profillosigkeit ihrer Führung in den Ruin getrieben“, schreibt Ludwig. Sie wirft der FDP „rein ökonomisches Denken“ vor und spricht der Partei ab, Heimat zu sein für Bürger, „die sich den liberalen Traditionen verpflichtet fühlen“. Mit nur noch drei Prozent Wählerstimmen, wie jüngsten Meinungsumfragen, sei mit dieser Partei nicht mehr zu rechnen. Da die FDP von 14 auf drei Prozent abgestürzt sei, so Ludwig, lägen nun elf Prozent liberalen Wählerpotenzials brach. Nun müsse die CDU die Rolle eines starken freiheitlichen Gegenpols übernehmen, fordert Ludwig. Die Wiederbelebung des Freiheitsgedankens müsse zur zentralen Kernkompetenz der CDU werden.

Der FDP-Landesvorsitzende Gregor Beyer reagierte darauf in aller Schärfe. Er sagte, Ludwig „kündigt mit ihren Aussagen den Konsens unter Demokraten auf“. Sie habe sich mit ihrem Beitrag „aus dem realpolitisch denkenden Spektrum“ entfernt. Und Beyer sagte weiter, Ludwig sei „auf dem besten Wege, sich mit der avisierten Übernahme des Liberalismus zu übernehmen“.

Die Landesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock stört sich vor allem an dem Medium, in dem Ludwig publiziert. Baerbock dazu: „Es ist absolut unverständlich, dass sich Frau Ludwig erneut in der Wochenzeitung Junge Freiheit zu Wort meldet, die als Scharnier zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus gilt.“ Die Grünen-Landeschefin verweist weiter darauf, dass ihre CDU-Kollegin bereits vorher schon in dieser Zeitung in Erscheinung getreten sei und unterstellt darin eine politische Strategie. Ludwig versuche „am äußersten rechten Rand nach Wählerstimmen zu fischen“. Ludwig selbst war am Donnerstag nicht bereit, Stellung zu beziehen zu der Frage, warum sie ihre Positionen in solch einer Publikation darlegt. Für die Fraktion der Grünen im Landtag sagte die stellvertretende Vorsitzende Marie Luise von Halem: „Es gibt keine Koalition in der Opposition, sondern eine Zusammenarbeit in Einzelfragen. Das hindert uns nicht daran, Frau Ludwig gegenüber beim Thema Interviews mit der Jungen Freiheit unsere deutliche Missbilligung zum Ausdruck zu bringen.“

Die Auseinandersetzung um den Ludwig-Text ist der vorläufige Höhepunkt eines Entfremdungsprozesses zwischen den drei Oppositionsparteien, der schon seit einiger Zeit zu beobachten ist. Deutlich wurde er vor allem in Bezug auf die Aufarbeitung der Folgen der SED-Herrschaft. Dabei war es zu Beginn der Legislaturperiode des Landtags zu einem ganz unerwarteten Maß an Kooperation zwischen den Landtagsfraktionen von CDU, FDP und Grünen gekommen. Aber in der konkreten Arbeit der deswegen eingesetzten Enquetekommission und dann auch in der Auseinandersetzung um die Stasi-belasteten Abgeordneten der Partei die Linke verhinderte Ludwig nicht, dass sich ihr Generalsekretär Dieter Dombrowski gegen Liberale und Grüne profilierte und dann die CDU- Fraktion zusammen mit SPD und Linken einem Entschließungsantrag zustimmte. In der Landtagsdebatte um diesen Antrag und den Bericht der Abgeordneten-Überprüfungskommission profilierten sich so der Grünen-Fraktionschef Axel Vogel und die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg als die wirklichen Sprecher der Opposition gegen die rot-rote Koalition. FDP wie Grüne lehnten es andererseits ab, jede der scharfen Attacken der CDU gegen Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) mitzutragen. Für Verstimmung innerhalb der Opposition hatte auch der Umstand gesorgt, dass die CDU zusammen mit den rot-roten Fraktionen und gegen das Votum des Landtagspräsidenten eine Sitzordnung im neuen Landtag erzwang, die von den kleinen Oppositionsparteien abgelehnt wird.

Der Beitrag von Saskia Ludwig führte in der CDU selbst zu einer Front des Schweigens. Die Parteizentrale in Berlin wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Saskia Ludwig profiliert sich mit ihrem Text auch als prominentes Mitglied eines bislang losen Zusammenschlusses von Merkel-Kritikern in der Partei, die sich den Namen „Berliner Kreis“ gegeben haben und den Modernisierungskurs der Kanzlerin – zuweilen ist von Sozialdemokratisierung die Rede – aufbegehren. Zu ihnen zählt unter anderem die Vertriebenen-Funktionärin Erika Steinbach und der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach. Auch der frühere Brandenburgische Innenminister und einstige CDU-Chef des Landes Jörg Schönbohm gehört dieser Gruppe an.

Saskia Ludwig hat sich mit ihrem Text als die deutlichste Kritikerin des derzeitigen Kurses der Bundesregierung unter der Führung von Angela Merkel hervorgetan und dies mit dem Versuch verknüpft, durch eine Kurskorrektur für einstige FDP-Wähler interessant zu werden. Es dürfe keine Politik geben, „die den Bürgern eine Zwangslage suggeriert, bei der es angeblich keine Wahlmöglichkeit mehr gibt“, heißt es bei Ludwig in Bezug auf die von Merkel propagierte angebliche Alternativlosigkeit politischer Entscheidungen etwa bei der Euro-Rettung. Und der CDU empfiehlt sie „eine skeptische Reserve gegenüber der Moderne“. Die Partei solle sich „zum Konkreten wie unserer Nation, unserer Herkunftslandschaft und unseren Familien“ bekennen. Zur FDP bemerkt sie: Deren hausgemachter Abschwung sei nicht gleichbedeutend mit einer Beerdigung des liberalen politischen Denkens in Deutschland. Der Ideengehalt und Anspruch von Liberalismus, „wie ihn die Partei von Rösler und Co. in einer peinlichen Suche nach immer neuen Schlagwörtern für die Medienvertreter zelebriert“, habe nichts zu tun mit der basisliberalen Säule des Berliner Kreises.

Die schroffen Töne gegenüber der FDP passen nicht zum Kurs, den die Bundespartei und andere Landesverbände verfolgen. So koaliert die CDU in Sachsen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen mit der FDP, die Schwesterpartei CSU regiert in München mit den Liberalen. Ihnen spricht Brandenburgs CDU-Chefin jedes politisches Gewicht ab. (mit pet/axf)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false