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Brandenburg: Matthias Platzeck: Stolpes Kronprinz und Schröders Liebling

Ein symbolisches Bild? Beim großen Empfang auf der Hannover-Messe für 2000 deutsche und ausländische Manager hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder zwei Sitznachbarn: Den russischen Ministerpräsidenten Michail Kasjanow auf der einen, Matthias Platzeck auf der anderen Seite.

Ein symbolisches Bild? Beim großen Empfang auf der Hannover-Messe für 2000 deutsche und ausländische Manager hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder zwei Sitznachbarn: Den russischen Ministerpräsidenten Michail Kasjanow auf der einen, Matthias Platzeck auf der anderen Seite. Diese Sitzordnung, gänzlich ungewöhnlich, gab zu manchen Spekulationen Anlaß. Nicht nur Journalisten, auch Wirtschaftsbosse rätselten: "Warum sitzt ein Oberbürgermeister neben dem Kanzler?" Es war der Wunsch Schröders.

Dass Schröder und Platzeck gut miteinander können, ist kein Geheimnis. Schon zur Bundestagswahl 1998 wollte der damalige Kanzlerkandidat den in Ost und West populären "Oderhelden" in sein Schattenkabinett holen. Dass Platzeck, damals gerade in Potsdam zum Oberbürgermeister-Kandidaten gekürt, Schröder einen Korb gab, hat das Verhältnis nicht getrübt, im Gegenteil. Nicht nur, dass der "Hoffnungsträger" in den Parteivorstand gewählt wurde, er gehört inzwischen, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, zum engen Beraterkreis Schröders. Gerade ist er zum Vorsitzenden des vom Kanzler berufenen "Rates für nachhaltige Entwicklung" gewählt worden - eine "Denkfabrik" von 17 Managern, Wissenschaftlern und Politikern, finanziert vom Kanzleramt. Auch dass der Ostdeutsche Vorsitzender des Beratergremiums wurde - was noch keine deutsch-deutsche Selbstverständlichkeit ist - war wohl ein Wunsch des Kanzlers.

Kein Wunder, dass plötzlich alte Spekulationen wieder hochkochen: Schröder, der sich auffallend oft in Potsdam blicken lässt, wolle seinen "Lieblings-Ossi" 2002 in seine Regierungsmannschaft holen - womöglich noch vor der Bundestagswahl. "Die Wahl wird im Osten entschieden", heißt es im Berliner Willy-Brandt-Haus. Platzeck, der Pragmatismus und Charisma vereine, sei "genau der richtige Mann".

Auch im Kanzleramt bestreitet man nicht, dass der Kanzler "ihn haben" wolle. Ob es dazu kommen werde, hänge allerdings auch von strategischen Überlegungen ab: An welcher Stelle der sozialdemokratische Senkrechtstarter, der erst 1995 in die SPD eintrat, nützlicher ist: Im rot-grünen Bundeskabinett oder als Ministerpräsident im derzeit zwar noch rot-schwarzen, künftig vielleicht aber wieder roten Brandenburg?

Vieles hängt von Manfred Stolpe ab, der in zwei Wochen seinen 65. Geburtstag feiert: Die entscheidende Frage ist, ob er 2003 oder spätestens zur Landtagswahl 2004 das Zepter an seinen Kronprinzen übergeben wird. Oder ob der populäre "Landesvater", der trotz seiner fast elf Dienstjahre nicht amtsmüde wirkt, noch einmal antreten will. Stolpe, danach befragt, zitiert: "So Gott will und wir leben, werden wir dies und jenes tun." Unterdessen macht er Nägel mit Köpfen, verständigt er sich mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, auf einen Fusionsfahrplan, der weit in die kommenden Legislaturen reicht. Wie eine Vorleistung für den Thronfolger - der davon aus der Zeitung erfuhr - sieht das nicht aus. Käme es Stolpe vielleicht sogar gelegen, wenn der Kanzler Platzeck vorübergehend nach Berlin "abwerben" würde? Manche behaupten sogar, er "arbeite" bei Schröder, zu dem er wieder ein besseres Verhältnis habe, darauf hin.

Andererseits geht man in der SPD davon aus, dass der Regierungschef, der sein Erbe geordnet übergeben wolle, dem seit Jahren protegierten Wunschnachfolger nicht den Weg verbauen werde. "Was sich mit Biedenkopf abspielt, wird es in Brandenburg nicht geben!" Stolpe hatte vor einem Jahr gegenüber dem Tagesspiegel erklärt, er klebe nicht an seinem Stuhl: "Ein älterer Politiker sollte einen talentierten Jüngeren nicht behindern." Platzeck selbst beschwor stets seine märkische Bodenständigkeit. Natürlich würde er lieber Ministerpräsident von Brandenburg werden, sagt ein Freund, anstatt sich "als Bundesminister zu verschleißen". Und: "In Brandenburg wäre er König, unter Schröder nur ein Offizier unter vielen."

Inzwischen ist Platzecks Verhältnis zum Kanzler enger geworden. Er hält sich, hört man genau hin, beide Türen offen. Und Sozialdemokraten, die beide gut kennen, Stolpe und Platzeck, sagen voraus: Die Entscheidung werde schon bald fallen, nach der Bundesgartenschau und vor der Bundestagswahl. Denn sicher sei, dass Platzeck, wenn Stolpe 2004 noch einmal antreten wolle, ein Angebot Schröders annehmen werde.

Michael Mara

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