zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Sehr kleine Ursache, sehr große Katastrophe“

14 Menschen starben beim Busunglück am Schönefelder Kreuz. Nun muss sich eine Berlinerin wegen fahrlässiger Tötung verantworten

Von Sandra Dassler

Potsdam - Den Kopf gesenkt und mit einer dunklen Sonnenbrille erschien Beatrice D. am Freitag vor dem Potsdamer Landgericht. Erst als die Fotografen den Saal verlassen hatten, nahm sie die Sonnenbrille ab. Es sei keineswegs selbstverständlich, dass die 38-Jährige am Prozess teilnehmen könne, sagte ihr Verteidiger Carsten R. Hoenig. Das habe sie nur mit Hilfe psychotherapeutischer Behandlung geschafft, in der sie sich seit dem Unfall befinde. Sie sei eben nicht nur Angeklagte, sondern auch Geschädigte eines Geschehens, bei dem „eine sehr kleine Ursache eine sehr große Katastrophe zur Folge hatte“.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten fahrlässige Tötung vor. Am 26. September 2010 soll sie das Auto eines Bekannten bei der Auffahrt auf den Berliner Ring auf nasser Fahrbahn zu stark beschleunigt, die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und einen mit 49 Personen besetzten polnischen Reisebus touchiert haben. Der Busfahrer wollte ausweichen und fuhr dabei gegen einen Brückenpfeiler, 14 Menschen starben, 37 wurden verletzt.

Fünf Prozesstage sind nun angesetzt, um zu klären, ob die Angeklagte schuldig ist. Sie selbst könne diese Frage nicht beantworten, sagte die Angestellte der Berliner Polizeiverwaltung gestern, denn sie habe keine Erinnerung an den Unfallhergang. Sie schilderte, dass sie am Tag des Unfalls mit einer Freundin und einem Bekannten nach Polen fahren wollte, um Zigaretten zu kaufen. Ihre Erinnerung ende, als sie mit ihrer Freundin zu diesem Bekannten in Berlin gefahren sei. Der Angeklagten war auch nach dem Unfall nicht die Fahrerlaubnis entzogen worden. Sie habe aber seither große Schwierigkeiten, sich im Straßenverkehr zu bewegen und meide Autobahnen, sagte sie. Beatrice D. schilderte ausführlich ihre Traumatisierung nach dem Unfall. Sie habe sich monatelang in stationärer Behandlung befunden und oft Suizidgedanken gehabt. Zweimal musste die Verhandlung unterbrochen werden, weil die Angeklagte mit den Tränen rang.

Prozessbeobachter zeigten sich allerdings erstaunt darüber, dass sie kein Wort des Bedauerns für die Opfer fand. „Für die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer wäre das sicher angemessen gewesen“, sagte der Anwalt des polnischen Busfahrers, Radoslaw Niecko. Sein Mandant musste gestern als erster in den Zeugenstand, nachdem der ebenfalls als Zeuge geladene Reiseleiter nicht erschienen war.

Grzegorz Jarosz, der nach mehreren Augenoperationen erst seit zwei Wochen wieder als Busfahrer arbeiten kann, war die große Belastung anzumerken. Trotzdem bemühte sich der 41-Jährige, mit ruhigen Worten seine Erinnerungen an den Unfall zu schildern. Er habe bemerkt, wie ein roter Mercedes auf der Beschleunigungsspur zunächst leicht ins Schleudern geriet. Das Heck sei ausgebrochen, die Fahrerin habe vermutlich versucht, gegenzulenken, woraufhin der Pkw nach links ausgeschert sei und den Bus touchiert habe. Er habe versucht, nach links auszuweichen. Als er Brückenpfeiler bemerkte, habe er auch diesen ausweichen wollen, es aber offenbar nicht mehr geschafft. Seine Erinnerung setzte wieder ein, als der Bus zum Stehen gekommen war. Dann habe er die 112 angerufen und versucht, mit dem zweiten Busfahrer die Verletzten zu bergen. Erst als die Rettungskräfte eintrafen, habe er das Ausmaß der Katastrophe und seine eigenen Verletzungen bemerkt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false