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Brandenburgs Ex-Justizminister Schöneburg: Staatssekretär vertuscht in Knast-Affäre weiter

Pienkny hat dem Rechtsausschuss des Landtags wesentliche Fakten vorenthalten.

Potsdam - Brandenburgs Justizministerium hat nach PNN-Informationen den Rechtsausschuss des Landtags nur lückenhaft über das Ausmaß der sogenannten Knast-Affäre informiert. Die Affäre (siehe Kasten unten) hatte im Dezember zum Rücktritt von Volkmar Schöneburg (Linke) als Justizminister geführt. Vor zwei Wochen hatte Justiz-Staatssekretär Ronald Pienkny dem Ausschuss wesentliche Fakten vorenthalten. Pienkny und die Linke-Führung erweckten zudem den Eindruck, Schöneburg sei weitgehend grundlos aus dem Amt geschieden. Führende Linke sprachen von einer Kampagne der Medien. Doch diese Version lässt sich nach PNN-Recherchen nicht halten:

1. Die besondere Fürsorge des Ministers

Staatssekretär Pienkny hatte vor dem Rechtsausschuss des Landtages lediglich einen Fehler seines Ex-Chefs eingeräumt: nicht verhindert zu haben, dass die „Störche“ genannten Ex-Mandanten des Ministers N. und W. diesen weiter auf dem Handy anrufen konnten. Schöneburg und auch Pienkny hatten immer erklärt, es habe keine Bevorzugung der beiden Gefangenen gegeben.

Die Fakten:

Abgesehen davon, dass sonst kein Gefangener beim Minister anrufen kann und dies schon einen Sonderstatus darstellt, ist vom Ministerium ein Geheimtreffen in Sachen „Störche“ verschwiegen worden. Dabei traf sich Schöneburg in seinem Ministerbüro mit:

seiner Büroleiterin Weis (sie war für ihn in Sachen „Störche“ aktiv),

dem neuen Anwalt der alten Schöneburg-Mandanten, dem Potsdamer Anwalt Sven Gottschalkson, und

dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Brandenburg, Hermann Wachter.

Vorbereitet hatten das Treffen das Büro Schöneburgs und der Anwalt der Schwerkriminellen, von denen einer – wie im Urteil vorgesehen – nach seiner verbüßten Haftzeit im Winter 2013 in die Sicherungsverwahrung verlegt werden sollte. Die zuständige Fachabteilung im Ministerium erfuhr von dem Treffen nichts. Der Anstaltsleiter wurde kurzfristig hinzugezogen. Einziges Thema des Treffens, so ein Insider: „Eine möglichst wohlwollende Besuchsregelung“ für die beiden dann – wie Tausende andere Paare im Knast auch – getrennt lebenden Ex-Mandanten des Ministers.

Ergebnis des Treffens: die Festlegung, dass der Anstaltsleiter mit dem Anwalt eine wohlwollende Besuchsregelung für das schwerkriminelle Paar, das ein Mädchen fast zu Tode vergewaltigt hatte, suchen soll.

Üblicherweise legt die Anstalt Besuchsregelungen für Gefangene fest, gelegentlich in Abstimmung mit der Fachabteilung des Ministeriums. Dass sich ein Minister, noch dazu einer, der die betreffenden Gefangenen einst selbst vertreten hat, mit einem Anwalt trifft und eine besondere Besuchsregelung aushandelt, ist ein einmaliger Vorgang. Außerordentlich ist auch, dass sich der eigentlich zuständige Gefängnisleiter einer Interessen- und Argumentationsallianz von Ministerbüro und Anwälten seiner Insassen ausgesetzt sieht, gegen die er nicht agieren kann.

2. Verbotenes, Drohungen, Geld

Laut Pienkny sind bei fast hundert Haftraumkontrollen in den Jahren 2012/2013 lediglich ein selbstgebasteltes Radio und vom Arzt verschriebene Tabletten bei den „Störchen“ gefunden worden. Zudem habe von den „Störchen“, anders als von der Anstaltsleitung dargelegt, keine Bedrohung für Gefangene, die gegen die „Störche“, die in den Knasthierarchie ganz oben standen, aussagen wollten, bestanden. Laut Pienkny sei ein Gefangener, der aussagen wollte, nicht mehr in der JVA gewesen; ein zweiter sei im offenen Vollzug der Anstalt und damit außerhalb des Zugriffs der „Störche“.

Die Fakten

Es fehlen wesentliche Fakten in dieser Darstellung. So wurde dem Rechtsausschuss des Landtages verschwiegen, dass es nicht nur zwei Zeugen gab, sondern mindestens drei, vermutlich vier. Einer war damals und ist auch heute im geschlossenen Vollzug der JVA. Zudem fühlte sich der von Pienkny erwähnte Gefangene im offenen Vollzug eben nicht sicher: Er hatte deutliche Hinweise, dass die „Störche“ ihn als vermeintlichen Verräter im Visier haben. Zudem hatte eine JVA-Mitarbeiterin ausgesagt, sie sei von W. unter Druck gesetzt worden: Sollte sie die Bestellung von Möbelstücken für N.s Wohnung in der Sicherungsverwahrung boykottieren, könne sie mit einer Weisung des Ministers rechnen.

Ebenfalls im Rechtsausschuss unerwähnt blieb die Tatsache, das mehrere Gefangene ausgesagt haben, dass sie eigene Einkäufe an die „Störche“ abgeben mussten – unter Zwang. Nicht erwähnt wurde von Pienkny auch, was bei den Zellenkontrollen nach der vom Minister zunächst verhinderten Zwangsverlegung des Insassen W. am 13. Dezember 2013 in dessen Zelle entdeckt wurde:

mehrere Schuldscheine von Mitgefangenen (allein einer – wie bereits berichtet – über 13 000 Euro),

ein Spezialimbus-Schlüssel, mit dem in den Zellen Rohrschächte geöffnet und wieder verschlossen werden können,

ein verbotenes Handy,

etwa 250 Schachteln Zigaretten, die als Währung und Mittel zur Belohnung gehorsamer Mitinsassen genutzt werden.

Zudem wurde nach N.s Verlegung in die Sicherungsverwahrung deutlich, dass die „Störche“ über nennenswerte Geldbeträge auf Konten verfügen, die der Justiz nicht bekannt waren. Die Geldbeträge und die Schuldscheine von Mitgefangenen gelten als Indiz für Erpressungen und illegalen Handel im Gefängnis. N. hatte sich aus der Sicherungsverwahrung einen teuren Fernsehapparat bestellt. Durch reguläre Gefangenenarbeit hatte keiner der „Störche“ derartige Summen verdient.  

HINTERGRUND

Schöneburg, von Beruf Strafverteidiger, war vorgeworfen worden, einen seiner Ex-Mandanten, der in Brandenburg/Havel einsitzt, bevorzugt zu haben. So hatte er die geplante Zwangsverlegung des Schwerkriminellen in eine andere Vollzugsanstalt verhindert – gegen das Votum der JVA-Leitung und der zuständigen Fachabteilung. Nach Angaben aus Justizkreisen ein bis dahin einmaliger Vorgang in Brandenburg. Die JVA-Leitung hatte den Insassen unter Verdacht, andere Gefangene zu erpressen sowie mit Drogen und anderen seltenen Waren zu handeln. Der Mann habe mit seinem mit ihm inhaftierten Lebensgefährten eine Hausmacht aufgebaut. Zudem hatten Schöneburgs Ex-Mandanten den Minister seit Jahren regelmäßig aus dem Gefängnis auf dessen Handy angerufen – und im Gefängnis mit diesen guten Verbindungen geprahlt und gegenüber JVA-Mitarbeitern offen damit gedroht. Die PNN hatten eine Anrufliste veröffentlich, die belegte, dass der Minister allein binnen sechs Tagen Ende November/Anfang Dezember 2013 zwölfmal von den Gefangenen angerufen wurde. (pet)

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