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Der Ärger über das geplante Jagdgesetz reißt nicht ab.

© dpa

„Unsere Zukunft wird einfach aufgefressen“: Brandenburger Jagdgesetz steht auf der Kippe

Mathias Graf von Schwerin ist Waldbesitzer und Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereins Brandenburg-Berlin. Hier spricht er über die Notwendigkeit, jahrhundertealte Privilegien in Zeiten des Klimawandels endlich abzuschaffen.

Von Sandra Dassler

Herr von Schwerin, manche behaupten, das für Brandenburg geplante neue Jagdgesetz „vollende in gewisser Weise die Revolution von 1848“. Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?
Eigentlich nicht. Das neue Jagdgesetz soll ja unter anderem dafür sorgen, dass der Besitz von Wald und das Recht, darin zu jagen, nicht mehr voneinander getrennt sind. Dieses Recht gab es in Deutschland bislang nur ein einziges Mal: nach der Revolution von 1848. Es wurde aber wenige Jahre später wieder abgeschafft. Und seither haben wir diese unsägliche Trennung von Waldbesitzern und sogenannten Jagdausübungsberechtigten.

Was heißt das genau?
Waldbesitzer dürfen in Brandenburg nur dann selbst jagen, wenn ihre Grundstücke größer sind als 150 Hektar. Das trifft aber nur auf die allerwenigsten der rund 100.000 märkischen Waldeigentümer zu. Die meisten haben viel weniger und müssen deshalb zwangsweise Mitglied einer sogenannten Jagdgenossenschaft werden. Die wiederum verpachtet das Recht, im Wald ihrer Mitglieder zu jagen, an ebenjene jagdausübungsberechtigten Pächter.

Und was ist daran so problematisch?
Die Jagdpächter sind meist nicht an einem ökologischen Waldumbau interessiert. Der ist aber notwendig, wenn wir den Wald erhalten und ihn gesunden lassen wollen. Denn leider sind unsere Wälder seit Langem krank und können deshalb ihre so wichtigen Funktionen, insbesondere die des Schutzes gegen die Folgen des Klimawandels, nicht mehr erfüllen.

Waldbesitzer dürfen in Brandenburg nur dann selbst jagen, wenn ihre Grundstücke größer sind als 150 Hektar. 

Mathias Graf von Schwerin

Sie meinen als Erholungsort für uns Menschen?
Ja, aber nicht nur. Wald ist auch wichtig als Lieferant von nachwachsenden Rohstoffen, vor allem aber ist er mittels Fotosynthese in der Lage, Kohlendioxid aufzunehmen und zu speichern. Dadurch entzieht der Wald der Atmosphäre beträchtliche Mengen an Treibhausgas. Ohne seine Mithilfe werden wir die Klimaziele nie erreichen.

Und was hat das jetzt mit dem neuen Jagdgesetz zu tun?
Viele Waldbesitzer haben die überlebenswichtige Notwendigkeit des ökologischen Waldumbaus begriffen und zum Teil auch schon damit begonnen. Weil Hirsche, Damwild, vor allem aber Rehe besonders gern die jungen Triebe und die seltenen, also neu hinzugekommenen Baumarten lieben, werden die Anpflanzungen jedoch allzu oft schlichtweg aufgefressen. Denn der Wildbestand in unseren Wäldern ist insgesamt viel zu hoch.

Der Wildbestand in Brandenburgs Wäldern ist laut Mathias Graf von Schwerin viel zu hoch. 
Der Wildbestand in Brandenburgs Wäldern ist laut Mathias Graf von Schwerin viel zu hoch. 

© Patrick Pleul/dpa

Ist das für Brandenburg belegt?
Laut der letzten Bundeswaldinventur waren 51 Prozent der jungen Pflanzen im Brandenburger Wald verbissen. Kein Wunder, denn die Menge des Schalenwilds hat sich laut Forstexperten in Brandenburg seit den 50er Jahren versechzehnfacht. Trotzdem weigern sich viele Jagdausübungsberechtigte, mehr Wild zu schießen. Und die Waldbesitzer können nichts dagegen tun, denn allein die Jagdpächter entscheiden, wie viel Wild sie erlegen

Können die nicht einfach Zäune bauen, um die jungen Triebe zu schützen?
Natürlich können sie das. Und wo es gemacht wird, verändert sich der Wald auch schnell: Es gibt wieder Unterholz, die jungen Triebe wachsen. Aber solche Zäune sind teuer. Experten gehen davon aus, dass es fünf- bis zehntausend Euro kostet, einen einzigen Hektar Wald zu umzäunen. In Brandenburg müssen aber etwa eine halbe Million Hektar zu klimaangepassten Mischwäldern umgebaut werden. Schon heute sind rund 40.000 Hektar Wald eingezäunt, meist bezahlt mit Steuergeldern.

So viele Zäune kann niemand wollen.
Genau, und so viel Geld kann auch niemand bezahlen. Ganz zu schweigen davon, dass das Personal zur ständigen Kontrolle der Zäune gar nicht da wäre. Mehr zu jagen, ist also die einfachere, preiswertere und schnellere Methode, wenn man zudem noch dafür sorgt, dass die jungen Pflanzen auch genug Licht zum Wachsen haben. Ich bewirtschafte meinen Wald seit Jahren erfolgreich nach dem Motto: „Oben Holz ernten, unten Rehe schießen.“ Das mache ich nun konsequent seit fast 15 Jahren in meinem Waldbetrieb. Dort wächst der Wald ohne Zaun zu einem klimaresilienten Mischwald heran. Aber die meisten Waldbesitzer können das eben gar nicht tun.

Der so dringend notwendige Waldumbau findet nicht oder viel zu langsam statt. 

Mathias Graf von Schwerin

Wenn Landwirte Schäden durch Wildschweine erleiden, können sie diese ihren Jagdausübungsberechtigten in Rechnung stellen. Geht das nicht auch bei Wildschäden im Wald?
Theoretisch schon, praktisch ist das aber nicht möglich und meines Wissens auch noch nie geschehen. Wenn ein Maisfeld durch Wildschweine verwüstet wird, sieht das jeder. Wenn aber kleine junge Baumpflanzen nicht heranwachsen können, weil sie vorher gefressen werden – wie will man das beweisen oder gar berechnen?

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Die Jagdausübungsberechtigten haben also nichts zu befürchten, wenn sie der Bitte von Waldbesitzern, mehr Wild zu schießen, nicht nachkommen?
Ja, so ist es bisher. Man muss aber der Fairness halber dazusagen, dass es einige Jagdgenossenschaften gibt, wo die Zusammenarbeit klappt. Das heißt, der Waldbesitzer bittet darum, dass in der Nähe seiner Anpflanzungen mehr gejagt wird. Und das geschieht dann auch. Es gibt aber viele Jagdgenossenschaften, wo die kleinen Eigentümer diesbezüglich keine Chance haben. Ich selber bin Mitglied in sechs Jagdgenossenschaften. In keiner davon betreiben die Jagdpächter waldschutzorientierte Jagd.

In Brandenburg wird seit langer Zeit über das Jagdgesetz debattiert.
In Brandenburg wird seit langer Zeit über das Jagdgesetz debattiert.

© picture alliance / dpa

Und denen soll das neue Jagdgesetz helfen?
Genau. Der überarbeitete, aktuelle Entwurf sieht vor, dass ein Waldbesitzer, der mindestens drei zusammenhängende Hektar sein Eigen nennt und sich nicht mit seinem Jagdpächter einig wird, einen Begehungsschein vom Jagdpächter verlangen kann. Damit kann er dann selbst jagen, wenn er die Voraussetzungen dafür erfüllt, also einen Jagdschein besitzt. Er kann aber auch einen Jäger seines Vertrauens beauftragen, auf seinen Flächen waldschützend zu jagen. Und der jetzige Gesetzentwurf lässt noch eine andere Möglichkeit zu.

Welche?
Mehrere kleine Eigentümer können sich zusammenschließen und ab einer Fläche von 75 zusammenhängenden Hektar einen Eigenjagdbezirk gründen.

Sie müssten dann nicht mehr zwangsweise in der Jagdgenossenschaft Mitglied sein?
Genau.

Haben dann nicht doch die Kritiker recht, die der Ansicht sind, dass das neue Gesetz gewachsene Strukturen zerstört?
Überhaupt nicht. Dort, wo es jetzt schon gut funktioniert, kann ja alles bleiben, wie es ist. Aber allein schon die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit bringt jene auf die Barrikaden, denen es vor allem um das Wild und nicht um den Wald geht. Oder die den Wald lediglich als Kulisse für die Jagd brauchen.

Für den sie aber auch Pacht zahlen, oder?
Ja, natürlich. Daraus leitet sich aber nicht das Recht oder besser gesagt: Unrecht ab, den Wildbestand so groß werden zu lassen, dass der Wald stirbt. Aber den meisten Gegnern des neuen Jagdgesetzes geht es gar nicht um das Geld.

Die Jagd ist für einige Jäger, die aber leider oft das Sagen haben, so ein Männer-Ding.

Mathias Graf von Schwerin

Worum dann?
Die Jagd ist für einige Jäger, die aber leider oft das Sagen haben, so ein Männer-Ding: Da geht es um Macht, um die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod und um die größten Trophäen, also Geweihe. Sie fürchten, Privilegien zu verlieren, die seit Jahrhunderten den Reichen und Mächtigen zustehen. Die gibt man doch jetzt nicht auf, weil da plötzlich so ein grünes Ministerlein daherkommt, das ihnen ihr traditionalistisches lodengrünes Weltbild zerstört.

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Wird die Auseinandersetzung um das Jagdgesetz deshalb so erbittert geführt? Ich denke da an Begriffe wie die „Bambi-Mörder“ aus Potsdam.
Ja, das geht teilweise unter die Gürtellinie. Offensichtlich fehlen den klassischen Jägern die Sachargumente. Kein Waldbesitzer und auch kein Minister will Rehe oder Hirsche ausrotten. Es geht lediglich um eine Population, die der Wald unter den neuen Bedingungen vertragen kann. Und da es auch in anderen Bundesländern die Probleme gibt, schauen die natürlich genau hin, was jetzt in Brandenburg passiert.

Und wenn – was inzwischen viele befürchten – der Gesetzentwurf scheitert? Immerhin hat der Koalitionspartner CDU schon angekündigt, ihm nicht zuzustimmen.
Dann bleibt im wahrsten Sinne des Wortes alles beim Alten. Der so dringend notwendige Waldumbau findet nicht oder viel zu langsam statt. Das Wild wird sich weiter vermehren und unsere Zukunft einfach auffressen. Eine Landesregierung, die sich einerseits einen ambitionierten Klimaplan gibt, andererseits aber nicht in der Lage ist, sich auf ein darauf ausgerichtetes Jagdgesetz zu verständigen, hat jegliche Legitimation verloren, beim Schutz vor den Folgen des Klimawandels ernst genommen zu werden.

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