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Die 22 Pferde in Wesendahl werden rassetypisch in großer Herde gehalten.

© dpa/Patrick Pleul

Zauber der Provence in Brandenburg : Die weißen Pferde von Wesendahl

Rund um Altlandsberg gibt es nicht nur Obstplantagen, sondern auch eine Herde südfranzösischer Camargue-Pferde. Sie verstehen Menschen besonders gut.

Von Jeanette Bederke, dpa

Malune, Monsoleil und Maelle zeigen keinerlei Scheu. Neugierig nähern sich die erst wenige Monate alten Pferdefohlen dem Besucher, stupsen ihn an und fordern Streicheleinheiten ein. „Das sind Camargue-Pferde - offen, aufgeschlossen und menschenbezogen“, erklärt Lynn Kalinowski. Die Psychologin leitet den Pferdehof in Wesendahl (Märkisch-Oderland) und kennt ihre tierischen Schützlinge genau.

Insgesamt 22 Pferde dieser aus dem Marschland in der französischen Provence stammenden Rasse leben in Wesendahl. Die drei Fohlen seien die ersten Nachzuchten seit Jahren, erzählt Kalinowki stolz. Noch haben sie hellbraunes Fell, das charakteristische Weiß der Camargue-Pferde bekommen sie erst später.

Wenn sich die Herde auf der großen Koppel mit wehenden Mähnen in galoppierende Bewegung setzt, wirkt das zwölf Hektar große Anwesen wie eine Märchenkulisse. Es gehört zur BB Brandenburger Obst GmbH Wesendahl. „Die beiden Firmengründer stammen aus Südtirol, haben die Pferde mitgebracht, als sie das ehemalige volkseigene Gut nach der Wende übernahmen“, erzählt Geschäftsführer Simon Noflatscher. In Italien sei die Rasse vor allem in der Ebene des Flusses Po populär.

Pferde sollen frei auf den weitläufigen Koppeln leben

Zum einstigen Gut in Wesendahl hätten auch Stallungen gehört und die neuen Eigentümer wollten Freizeitangebote für Wesendahler und Gäste schaffen. „Mit den ersten zehn Pferden haben sie sowohl eine Zucht begonnen als auch einen Reitbetrieb aufgebaut“, so Noflatscher. Die Tiere sollten nicht in Boxen stehen, sondern frei auf den weitläufigen Koppeln leben - wie in der Camargue.

Als Fohlen sind die Camargue-Pferde braun, erst später nehmen sie ihre charakteristische Farbe an.
Als Fohlen sind die Camargue-Pferde braun, erst später nehmen sie ihre charakteristische Farbe an.

© dpa/Patrick Pleul

Die Wesendahler Pferde sind aber nicht nur schön anzusehen, sondern werden für Reitunterricht und vor allem für die Reittherapie genutzt. „Dabei geht es um den Kontakt und den Umgang mit den Pferden“, erläutert Kalinowski. „Die Tiere müssen nicht einfach funktionieren, sondern sie kommunizieren mit dem Menschen.“

Die 34-Jährige kam vor mehr als fünf Jahren aus Baden-Württemberg auf den Pferdehof und hat als studierte Psychologin die gezielte Reittherapie für Menschen mit psychischen Erkrankungen in Wesendahl entwickelt. Junge Mädchen mit Essstörungen gehören ebenso zu ihren Patienten wie Frauen mit traumatischen Erfahrungen. Außerdem: „Wir arbeiten regelmäßig mit Berliner Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen“, erläutert Kalinowski. „Sie lernen, Regeln einzuhalten, Rücksicht zu nehmen und sich in das soziale Gefüge einzupassen.“

Schon Caesar soll sich für die Rasse begeistert haben

„In Wesendahl wird tatsächlich eine tolle Jugendarbeit geleistet“, sagt Raphaela Rohm, Geschäftsführerin des Camarguepferde Deutschland e.V. „Zudem werden die Pferde rassetypisch in großer Herde gehalten.“ Die 34-Jährige und ihre sieben Mitarbeiter achten auf eine artgerechte Haltung. Nicht nur, dass die Tiere ganzjährig im Freien leben, sie tragen außerdem keine Trense im Maul, das metallene Mundstück herkömmlichen Zaumzeugs.

Reiterin Therese Berg vertraut ihrem Camargue-Pferd vollkommen.
Reiterin Therese Berg vertraut ihrem Camargue-Pferd vollkommen.

© dpa/Patrick Pleul

Nach Angaben von Rohm gibt es in der Bundesrepublik fünf namhafte Zuchtbetriebe für die etwa 4000 Jahre alte Rasse, für die sich schon der römische Feldherr Gaius Iulius Caesar begeistert haben soll und die seit Jahrhunderten in den Sümpfen der französischen Camargue zum Hüten von Rinderherden eingesetzt wird. „Die Pferde sind schnell, ausdauernd und nicht sehr groß: Du kommst da ohne Mühe rauf und runter“, erklärt Züchterin Rohm die Vorzüge. Rund 2000 Camargue-Pferde gibt es ihren Schätzungen nach in Frankreich, mehrere hundert in Deutschland.

Mit einem Stockmaß von 135 bis 150 Zentimetern seien die Tiere weniger angsteinflößend für Menschen, beschreibt Kalinowski die Vorteile ihrer tierischen Mitarbeiter, denen sie auch eine erstaunliche Nervenstärke und Ausgeglichenheit bescheinigt. Allerdings tragen sie von ihrer Statur her nur Reiter mit einem Gewicht bis zu 80 Kilogramm.

„Man merkt den Pferden deutlich an, dass sie keine schlechten Erfahrungen mit Menschen gemacht haben“, sagt Reitschülerin Therese Berg. Die Berlinerin kommt regelmäßig zwei bis dreimal die Woche nach Wesendahl, um abzuschalten. „Du kannst Dich mitten in die Herde legen und Dir passiert nichts“, erzählt sie, während sie Camargue-Hengst Uval zärtlich am Maul berührt. Das 14 Jahre alte Pferd zeigt seine augenscheinliche Freude mit gebleckten Zähnen.

Reitchefin Kalinowski, die mit Pferden aufgewachsen ist, hat die Camargue-Rasse erst in Wesendahl kennengelernt. Heute sagt sie: „Ich würde mich immer wieder für diese besonderen Tiere entscheiden.“ Auch die drei Fohlen, die erst mit vier Jahren ausgewachsen sind, sollen zu Schulpferden ausgebildet werden. „Sie haben gutes Potenzial, können sich auf unterschiedliche Menschen einstellen, ohne Stress zu bekommen“, schätzt die Wesendahler Pferdechefin ein.

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