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Landeshauptstadt: Astronomie als „schwarzes Loch“

Urania-Diskussion: Welt der Sterne bleibt für Bildungspolitiker eine Randerscheinung

Dinosaurier und das Weltall – dafür interessieren sich laut Umfragen Grundschüler besonders. Die Saurier sind ausgestorben, die Astronomielehrer auf dem Weg dorthin. Im Land Brandenburg gab es vor einigen Jahren 185, jetzt sind es noch 65. 1995 habe er den letzten Studenten dieses Fachs die Prüfung abgenommen, erinnert sich der Potsdamer Astrophysiker Hans Oleak, seitdem gebe es keine universitäre Ausbildung mehr.

Stellt die Astronomie also ein „schwarzes Loch in der Bildung“ dar, fragte die Potsdamer Urania am Tag des 120-jährigen Bestehens der Vereinigung in einer Podiumsdiskussion. So ist es wohl, verdeutlichte in seiner Einführung der Oberlausitzer Lehrer Lutz Clausnitzer, der gerade vergeblich versucht hat, den sächsischen Landtag von der Abschaffung des obligatorischen Astronomieunterrichts abzuhalten. In der Forderung nach einem solchen Pflichtunterricht, den es in Brandenburg übrigens in Resten noch gibt, waren sich Podium und Publikum einig. Astronomische Bildung vermittle jungen Menschen ein komplexes Natur- und Umweltverständnis und lehre sie wissenschaftlich zu denken, erklärte der Direktor des Astrophysikalischen Institutes Potsdam, Matthias Steinmetz. Ulrich Köhler, Deutsches Institut für Luft- und Raumfahrt, bestätigte den Mangel an wissenschaftlich gebildeten Fachkräften, der aus der Vernachlässigung nicht nur der Astronomie, sondern aller Naturwissenschaften an den Schulen resultiere. Der Lehramtsstudent Jirka Müller, Uni Potsdam, schilderte, wie seine Bemühungen um eine Ausbildung in Astronomie vom Bildungsministerium blockiert wurden.

Wie die Situation verbessert werden kann, auch darin waren sich die Veranstaltungsteilnehmer einig. Es müssten wieder Astronomielehrer ausgebildet werden, stellte Uwe Schierhorn, Vorsitzender des landesweiten Vereins Pro Astro, an den Anfang. Ab der 7. Klasse sollte es obligatorischen Unterricht in diesem Fach geben. Lehrpläne dafür seien bereits ausgearbeitet, informierte der Potsdamer Planetariumsleiter Rolf König. Von den 300 bis 400 Millionen Euro für eine bevorstehende deutsche Mondmission solle ein Prozent in Schulprojekte fließen, verriet Ulrich Köhler. Dierck-Ekkehard Liebscher verdeutlichte, wie viel totes Faktenwissen aus den Lehrplänen gestrichen werden könnte, um Raum für den Astronomieunterricht zu schaffen.

In so viel Einigkeit griff Moderator Peter Tiede, stellvertretender Chefredakteur der PNN, mit der Frage ein, wie die Befürworter ihre bisher weitgehend erfolglosen Vorschläge bei der Politik durchsetzen wollten. Da kam eine gewisse Ratlosigkeit auf. Die Politik sperrt sich. Der frühere Landesfachberater Peter Freudenberger ist sogar schon bis zur Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgestoßen, ohne etwas zu erreichen.

Das Bildungsministerium des Landes Brandenburg unter Holger Rupprecht hält die Vermittlung bescheidener astronomischer Grundkenntnisse im Rahmen des Physikunterrichts nach wie vor für ausreichend. Eine Lobby, in der auch die Wirtschaft als Nutznießer vertreten sein solle, müsse her. Zurückhaltend optimistisch gaben sich Steinmetz („Das deutsche Schulsystem ist in Bewegung“) und Schierhorn („Die Zeit arbeitet für uns“). Ob sie Recht behalten, wird sich zeigen. Urania-Geschäftsführerin Karin Flegel war mit ihren Bemühungen, einen Vertreter des Bildungsministeriums für die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zu gewinnen, auf Granit gestoßen. Der Astrofreund und vormalige Bildungsminister Steffen Reiche nahm seine Zusage kurzfristig zurück, da sich die Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin zu lange hinzog.

Auch in den nächsten Jahren werden so wohl weiterhin 95 Prozent der Brandenburger Abiturienten einfachste astronomische Fragen nicht beantworten können; etwa die: Warum scheint die Sonne, die doch im Osten aufgeht, frühmorgens an manchen Tagen auch in Fenster an der Nordseite von Häusern?

Erhart Hohenstein

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