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INTERVIEW MIT SHIMON NEBRAT, GESETZESTREUE JÜDISCHE GEMEINDE: „Bald ist Brandenburg judenfrei“

Herr Nebrat, Sie sagen, in Potsdam wird es keinen Synagogen-Neubau geben. Warum?

Herr Nebrat, Sie sagen, in Potsdam wird es keinen Synagogen-Neubau geben. Warum?

Es gab im Land Brandenburg vor dem Holocaust zwei jüdische Landesverbände – Liberale und Gesetzestreue. Wenn wir die jüdischen Einrichtungen und das jüdische Leben wirklich wieder herstellen wollen, müssen sich erst beide jüdischen Landesgemeinden zusammen mit der Landesregierung über ein finanzierbares Gesamtkonzept des Wiederaufbaus einigen. Und diese Einigung hat das Land Brandenburg immer noch nicht. Das Konzept existiert nicht.

Erst müssen jüdische Landesgemeinden feste Strukturen schaffen, Rabbiner einstellen, Gemeindezentren errichten und über eine arbeitsfähige Verwaltung verfügen, dann kann man über die Wiederaufbau von Synagogen reden. Weitere Voraussetzung ist: Die Landesgemeinden sollen Bauherr sein, und die öffentlichen Mittel sollen dafür zur Verfügung gestellt werden.

Kann denn nicht ein Bauverein, wie hier in Potsdam, sich auch eines Synagogenneubaus annehmen und Spenden einwerben? Der Verein erklärt ja ausdrücklich in seiner Satzung, sich nicht in die Inhalte, also die Glaubensausrichtung der Einrichtung einmischen zu wollen.

Einen Förderverein, der für beide Jüdischen Landesgemeinden Spenden sammelt, konnte ich mich vorstellen. Aber ein von Kirchenvertretern geführten Bauverein, der als Eigentümer der Synagoge auftreten will, kann, wenn überhaupt, nur eine „Kirchensynagoge“ bauen. Das wollen wir nicht. Interessant ist, dass nach der Satzung dieses Bauvereines die Synagoge an die konkurrierende Jüdische Landesgemeinde nur dann übergeben wird, wenn diese in der Lage sei, das Gotteshaus organisatorisch und wirtschaftlich zu führen. Dazu ist aber die Konkurrenzgemeinde schon jetzt nicht in der Lage! Mit der schwachen finanziellen Ausstattung dieser Gemeinde wird sie niemals in der Lage sein, eine Synagoge zu betreiben. Vielmehr bestätigt mich das in der Auffassung, dass weder der Bauverein Neue Synagoge Potsdam, noch das Land Brandenburg an der Wiederherstellung jüdischen Lebens wirklich interessiert sind.

Immerhin zahlt das Land Brandenburg 180 000 Euro jährlich an die Jüdische Landesgemeinde Brandenburg. Das ist staatsvertraglich festgelegt.

Sicher. Das Land Brandenburg rühmt sich damit, die jüdischen Gemeinden zu unterstützen. Bereits 1991 legte es eine Grundsicherung von rund 180 000 Euro im Jahr fest, mit der eine jüdische Gemeinde in die Lage versetzt werden soll, Geschäftsführer, Rabbiner und Räume zu bezahlen. Den Betrag allerdings teilen sich sieben Gemeinden im Land Brandenburg. Außerdem muss der Landesverband noch seine Schulden begleichen. Am Ende bleiben jeder Gemeinde rund 1000 Euro im Monat. Nicht eine hat auch nur einen Festangestellten, gearbeitet wird mit Ein-Euro-Jobbern. Es gibt auch keinen einzigen amtierenden Rabbiner im Lande. Das ist doch demütigend, wenn man nicht mal einen Rabbiner bezahlen kann. Und das ist die „Verhöhnung“, von der auch der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer spricht. Dem pflichte ich bei.

Wie organisieren Sie denn Ihr Gemeindeleben?

Seit acht Jahren gibt es jetzt die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde in Brandenburg. Ich bin ihr Geschäftsführer – und zwar ehrenamtlich.

Seit ebenso langer Zeit fordern Sie die Gleichstellung ihrer Gemeinde mit der Konkurrenz und berufen sich dabei auf den Artikel 3 des Grundgesetzes. Das Brandenburgische Oberverwaltungsgericht gab Ihnen Recht und forderte das zuständige Kulturministerium zur Zahlung auf. Ist inzwischen Geld geflossen?

Das Ministerium hat das Urteil unserer Meinung nach nicht anerkannt. Die Mitgliederversammlung unserer Landesgemeinde hat im Januar dieses Jahres einstimmig festgestellt, dass die Politik des Ministeriums in Fragen der Wiederherstellung jüdischen Lebens verfassungswidrig und antisemitisch ist. Das Geld, das wir nach dem Vollstreckungsantrag erhalten haben, spielt aber in unseren Forderungen eigentlich eine untergeordnete Rolle. Vielmehr wollen wir nach den gleichen Prinzipien behandelt werden und beispielsweise auch einen Zuwendungsvertrag mit dem Land abschließen.

Da ist man auf Landesseite unbeweglich?

Statt echter Einigungsangebote, bekommen wir Drohungen! Man will uns verbieten, auf die antisemitische und nicht verfassungskonforme Politik der Landesregierung hinzuweisen. Hoffentlich wird man gegen uns keine „Putinmethoden“ anwenden.

Auch wenn sich das Land nicht finanziell am Synagogen-Bau beteiligen will, so will es doch das Grundstück in der Schlossstraße 1 dem Verein schenken – eine geldwerte Sachleistung in nicht unbeträchtlicher Höhe.

Wir wären froh, wenn das passiert. Dann haben wir Anspruch auf Gleichbehandlung und werden vom Land für unsere Gemeinde auch ein Grundstück fordern.

Wie kann das Land die Wiederherstellung jüdischen Lebens tatsächlich fördern?

In dem es Strukturen schafft und echte jüdische Einrichtungen – die von Juden betreiben werden und in den Judentum gelebt wird – möglich macht. Vor der Machtergreifung der Nazis gab es in Potsdam und Babelsberg zwei Synagogen und elf Gebetshäuser. Heute gibt es nichts. Und weil das so ist, wandern die Juden ab. Nach den Zuzügen von Kontingentflüchtlingen in den 1990er Jahren zählte Brandenburg zu Hochzeiten 7500 Juden, jetzt sind es nur noch 1500; bald ist Brandenburg judenfrei.

Was hält Sie dann noch hier?

Es ist von Gott bestimmt, dass ich hier bleiben und weiter machen muss.

Das Interview führte N. Klusemann

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