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Potsdam-Gäste. Quiandra Taylor (o. l.) verbringt mit Gastgeberin Lisa Mohrin auch die Freizeit, Zlatin Aleksiev bleibt mit der Heimat Bulgarien über Skype in Kontakt. 

© A. Lemme

Landeshauptstadt: Die Welt zu Gast in Potsdam

Austauschschüler aus Bulgarien und den USA verbringen ein Jahr in der Stadt

Deutschland ist kalt, meint der Bulgare Zlatin Aleksiev, die Autos sind winzig, findet die Amerikanerin Quiandra Taylor. Die beiden verbringen derzeit ein Jahr in Potsdam. Trotz solcher kleinen Mängel ist das Interesse an Deutschland bei Austauschschülern weltweit groß. „Das liegt unter anderem an der Geschichte, der Teilung Deutschlands in Ost und West und auch dem dunklen Kapitel des Nationalsozialismus – diese jüngeren historischen Ereignisse sind einfach vielen bekannt“, sagt Susanne Kordasch, Pressesprecherin des Jugendaustauschprogramms „Youth for Understanding“ (YfU). Auch Quiandra und Zlatin wurden von YfU an ihre Potsdamer Gastfamilien vermittelt.

„Zlatin ist sehr pflegeleicht“, sagt Iwan Chotjewitz über seinen Gastsohn. Der versteht nicht gleich, was damit gemeint ist. „Unkompliziert“, erklärt ihm sein Gastbruder Lukas. Dagegen hat Zlatin nichts und grinst etwas verlegen. Der 16-Jährige kommt aus der bulgarischen Stadt Burgas, seit August wohnt er bei der Familie Chotjewitz in Babelsberg. Wie deren Kinder besucht auch Zlatin das Humboldt-Gymnasium, um zu Hause kein Jahr zu versäumen, hat er sich einen regulären Stundenplan geben lassen. Quiandra Taylor ist vom Unterrichtsstil in Deutschland überrascht, „es ist fast wie an der Uni, man muss sich sehr stark selbst engagieren.“ Die 17-jährige Muslima kommt aus dem amerikanischen Pennsylvania, hier lernt sie gemeinsam mit ihrer Gastschwester Lisa am Wolkenberg-Gymnasium in Michendorf. Das Kopftuch, den „hijab“, trägt sie hier nicht, dafür haben sie und ihre Gastschwester Lisa nun Strickmützen als Symbol ihrer neue Verbundenheit entdeckt. Lisa Mohrin ist Einzelkind. Eine Art Schwester zu haben, jemanden, mit dem man nicht nur den Schulalltag sondern auch die Freizeit teilt, ist neu für sie – schön und anstrengend zugleich. Zlatin hingegen „ersetzt“ bei den Chotjewitz’ deren Sohn Robert, der gerade ein Jahr in den USA verbringt. Für seine drei Gastgeschwister und die Eltern ändert sich deshalb nicht viel, das Haus ist voll wie sonst auch.

YfU will mit seinem Programm das Verständnis für andere Kulturen fördern, wichtige Auswahlkriterien sind daher eine gewisse Reife aber auch die Bereitschaft, sich in eine fremde Familie einzufügen. Dass es trotzdem nicht immer ganz leicht ist, sich im Alltag mit der anderen Kultur zu arrangieren, weiß mittlerweile auch Lisa: „Wir Deutschen sind glaube ich allgemein recht hektisch, machen vieles sehr schnell, Quiandra hingegen ist viel entspannter, das merkt man schon, wenn wir nebeneinander laufen. Unterschiede machen sich auch an Feiertagen wie Weihnachten bemerkbar. Während Quiandra es gar nicht gewohnt ist, das christliche Fest zu feiern, würde Zlatin am Heiligabend gerne in die russisch- orthodoxe Kirche. Wirklich irritiert hat Zlatin bisher, dass hier nur mittags gekocht wird: „In Bulgarien essen wir fast ausschließlich warme Speisen“, sagt er. Mittlerweile habe er sich aber daran gewöhnt, ebenso daran, dass es hier weniger Fleisch gibt als in seiner Heimat. Ausschließlich vegetarisch wird in Bulgarien nur an einem Tag gegessen: an Heilig Abend. Überhaupt sei das Essen in Deutschland viel gesünder, darin sind sich Zlatin und Quiandra einig. Für Heimweh bleibt beiden bisher keine Zeit, dafür sei die Zeit hier viel zu aufregend.

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