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In Sicherheit. Zekria Asify aus Afghanistan musste Schleppern 17 000 Dollar bezahlen, um über Pakistan und Dänemark nach Deutschland zu kommen. Für ihn ist es wichtig, dass er nach seiner Ausbildung zum Fachinformatiker seine Eltern unterstützen kann, die noch in der Nähe von Kabul wohnen.

© Andreas Klaer 

Landeshauptstadt: Ein Neuanfang

Zekria Asify aus Afghanistan macht in Potsdam eine Ausbildung zum Fachinformatiker. Er flüchtete, nachdem er von den Taliban bedroht wurde. Seine Familie musste er in seinem Heimatland zurücklassen

Von Valerie Barsig

Warum sie ihn wieder gehen ließen, weiß er bis heute nicht. Bei einer vermeintlichen Polizeikontrolle ging er der Taliban ins Netz: Die Milizen hatten sich als Polizisten verkleidet und hielten Zekria Asify eine Waffe an den Kopf. Er sollte sie einschleusen – denn Asify arbeitete als Dolmetscher im afghanischen Kabul für die Amerikaner und hatte Zugang zu einer Militärbasis. Asify weigerte sich. Die Männer der Taliban drohten ihm. „Sie haben mir die Adressen meines Hauses und der Schule meines Bruders genannt“, erzählt Asify. Dann ließen sie von ihm ab. Asify fuhr nach Hause. Seine Frau und seine Mutter überredeten ihn zur Flucht. Aus der afghanischen Provinz Lugar südlich von Kabul gelangte er über Pakistan und Dänemark nach Deutschland. 17 000 Dollar bezahlte er an einen Schlepper für einen falschen Pass. Das war 2013. Heute ist Asify 31 Jahre alt und macht eine Ausbildung zum Fachinformatiker am Competence Center für Digitale Medien (CCDM) in Potsdam – denn Arbeitszeugnisse kann er wegen seiner Flucht nicht vorweisen. Deshalb musste er in Deutschland ganz von vorn beginnen.

Er vermisst sein Heimatland, sagt er. Zurückzugehen sei aber keine Option: Viel zu groß ist die Angst, dass ihm dort etwas zustoßen könnte. Auch sein jüngerer Bruder ist aus Afghanistan geflohen, er lebt inzwischen in Berlin. Von seiner Frau, die sich mit ihrem Bruder ebenfalls nach Europa aufmachen wollte, hat Asify seit 2013 nie wieder etwas gehört. „Ich weiß nur, dass sie versucht haben, in den Iran zu gelangen.“ Für die Dauer seiner Ausbildung wird er in Deutschland geduldet. Wird er von CCDM übernommen, kann sich die Duldung um zwei Jahre verlängern. Sein Asylantrag allerdings wurde abgelehnt. Das versucht Asify nun anzufechten – die Entscheidung soll morgen fallen.

Asify hilft auch anderen Afghanen, die Probleme mit Ämtern haben und übersetzt, so gut er kann. Er spricht neben Deutsch und Englisch auch Farsi, Paschtu und Urdu. Er ist dankbar für die vielen Menschen, die ihn in Potsdam gut aufgenommen haben – angefangen bei Diakonie-Mitarbeitern, die zu Freunden wurden, bis hin zu seinem Chef Matthias Gehrmann. Gehrmann ist es wichtig, Geflüchteten zu helfen. „Sie brauchen gesellschaftliche Teilhabe“, sagt er. Die Würde von Menschen sei verletzt, wenn sie auf Almosen angewiesen seien. 2015, als viele Geflüchtete nach Potsdam kamen, organisierte Gehrmann ein Willkommensfest, dann initiierte er das Potsdamer Projekt „Erfolgspaten“, dass Geflüchteten Ausbildungs- und Arbeitsstellen vermittelt.

Sowohl Asify als auch Gehrmann müssen sich einer Herausforderung stellen: Der eine, indem er sich in einem neuen Land mit einer neuen Sprache zurecht finden muss, der andere, weil er einen Auszubildenden betreut, der eben nicht ist wie jeder andere. „Allein die Ankündigung, dass Menschen aus Afghanistan abgeschoben werden, versetzt Zekria zurück in seine schlimmsten Fluchttraumata“, sagt Gehrmann. Es könne passieren, dass Asify durch die psychische Belastung wochenlang ausfalle. „Es ist, als müsse jemand immer wieder von vorn beginnen.“ Afghanistan sei kein sicheres Herkunftsland. Die Politik der Bundesregierung halte er für fahrlässig und unmenschlich. „Das hat weder etwas mit christlich, noch mit sozial zu tun“, sagt Gehrmann.

Besonders die Zeit im Flüchtlingsheim in Teltow von 2013 bis 2015 hat Asify zugesetzt. „Es war schlimm dort“, sagt er. Man habe ihm alle Sachen gestohlen, mit den anderen Bewohnern sei er nicht klargekommen, nicht arbeiten zu können sei hart gewesen. Mit den Bildern aus Afghanistan hat er noch immer zu kämpfen. „Wenn ich abends nach Hause komme, kommen die Gedanken“, sagt er. Es fällt ihm schwer, darüber zu sprechen.

Dass Geflüchtete für Unternehmen eine Herausforderung sind, weiß auch Yvonne Meyer, Fachberaterin für die Integration von Flüchtlingen an der Potsdamer Industrie- und Handelskammer (IHK). Das Interesse an ihnen sei aber groß, sagt sie. Das hänge auch mit dem Fachkräftemangel zusammen. Im Service-Center des Welcome Integration Network (WIN) berät sie Firmen und Geflüchtete, die eine Ausbildung beginnen wollen. Von Januar bis August dieses Jahres waren das allein 196 Menschen, die bereits auf dem Sprachlevel B1 des europäischen Referenzrahmens in Deutsch sind. Standardsprache und die meisten Alltagssituationen sind auf diesem Level zu bewältigen, eine Ausbildung ist so machbar.

Trotzdem: gerade die Fachsprache in der Berufsschule ist für Asify eine große Hürde – genauso wie der Abstand zu seinen Eltern, die noch immer in Afghanistan sind. „Dafür ist mein Leben jetzt sicher“, sagt er.

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