zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Einer, der über die Brücke ging

1985 wurde der US-Spion Eberhard Fätkenheuer an der Glienicker Brücke ausgetauscht. Am Sonntag kehrt er zurück

Er war ein Mann des Kalten Krieges – ein Agent. Ein kleiner Agent. Aber einer, der über Potsdam in den Westen kam, als die Stadt des Viermächteabkommens vor dem Ende der DDR wiedereinmal Ort der Weltpolitik, der Konfrontation der Supermächte wurde. Eberhard Fätkenheuer, 69, ist einer der wenigen Deutschen, die in den Zeiten, in denen die gleich daneben liegende Brücke noch Grenze war, rüberlaufen durfte: Am 11. Juni 1985 wurde Fätkenheuer, ein Ex-Spion der USA, dort ausgetauscht. Zuvor war er sechs Jahre in der DDR inhaftiert. 25 illegal für unterschiedliche US-Spionageorganisationen in der DDR arbeitende Menschen waren gegen vier so genannte Kundschafter der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR ausgetauscht worden – ein einseitiger Deal, aber die Stasi war eben bei der Jagd auf Agenten ungleich erfolgreicher – und auch nicht wählerisch. Fätkenheuer, der im Stasi-Knast in Berlin-Hohenschönhausen und im Pankower Strafvollzug saß, hat gute Gründe, immer wieder die Glienicker Brücke aufzusuchen: Sie war der Weg in die Freiheit für den Mann, der im Westen in Berlin Sachverständiger bei der Dekra wurde und seine Erlebnisse in dem Buch „Die Brücke in die Freiheit“ verarbeitete. Und so ist es auch gar kein Zufall, dass der Mann an diesem Sonntag in der Villa Schöningen, direkt an der Brücke, auftritt.

Fätkenheuer, der mit Frau und Kind in Berlin Pankow lebte und bei einem Auto-Diagnosebetrieb der DDR arbeitete, war im Nebenjob Angestellter des Geheimdienstes der US-Army. Er zählte in ostdeutschen Wäldern die Panzerspuren und spürte nach Hinweisen auf die Einheiten der Westgruppe der Roten Armee und auf Raketenstützpunkte. Wie Dutzende anderer DDR-Bürger wurde er mit seinen Aufträgen zur Aufklärung regelrecht verheizt von einem Geheimdienst, der seine Verbindungswege nicht geheim halten konnte und auch nicht in der Lage war, die versprochene Hilfen nach einer Enttarnung zu organisieren. Am 28. Juni 1979 – Fätkenheuer, Deckname „Helmut Prantel“, war auf dem Weg zu seiner Geliebten in Magdeburg – wurde er verhaftet.

Dreizehn Jahre Gefängnis bekam er aufgebrummt, nachdem die Stasi seine kodierten Sendungen aus dem Briefverkehr gefischt hatte und mit ungeheurem Aufwand jedem Hinweis nachging, der zu ihm führen konnte. 1968 hatte er einen Bäckermeister aus Österreich kennengelernt. Jahre Später – Anfang der 70er-Jahre warb der ihn dann an für die Amerikaner. Chiffrieren und Dechiffrieren und das Kleine Einmaleins der Agenten lernte er bei einem Ungarn-Urlaub. Der Bäckermeister aus Österreich bekam für die Anwerbung etwa 15 000 Schilling, Fätkenheuer 6000 Ostmark. Zusätzlich gab es 50 D-Mark, ein Konto im Westen, das monatliche Gehalt eines Soldaten – und einen feinen Anzug vom Bäcker.

Auch bei der Spionageabwehr der DDR wurde nicht gespart – und so füllten sich die Gefängnisse mit relativ harmlosen Geheimnisverrätern. Sechs Jahre musste dann der einst als Abteilungsleiter arbeitende Fätkenheuer tatsächlich absitzen, bevor der Austausch, der vom legendären DDR-Anwalt Wolfgang Vogel ausgehandelt worden war, zustande kam. Die amerikanische Spionagezentrale im Pentagon hatte seine Inhaftierung zunächst gar nicht wahrgenommen, weil sein Führungsoffizier betrügerischerweise weiterhin Operativgelder für seine aufgeflogenen Agenten abrechnete. Als es dann endlich so weit war, kam es auf der Glienicker Brücke zur filmreifen Inszenierung der Kooperation zwischen den beiden damaligen Supermächten.

1985 war der erste große halbwegs öffentliche Agentenaustausch – eine frühere Aktion war in den sechziger Jahren noch streng geheim geblieben. 1986 erfolgte dann wieder so ein Treffen auf der Brücke und wäre die DDR nicht untergegangen, so hätte die „Brücke der Einheit“, wie sie auf DDR-Seite hieß, sicher noch einige Male auch als Brücke des Hin und Her der Spione fungiert.

Am Sonntag um 15 Uhr wird Eberhard Fätkenheuer am authentischen Ort seine wahre Geschichte vom Glanz und Elend eines amerikanischen Spions in der DDR erzählen. Eintritt: 10 Euro (u.A.w.g.)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false