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DAS SCHLOSS: Operation an Friedrichs Bausünde

Bis 2017 wird das Neue Palais im Park Sanssouci für 26 Millionen Euro teilsaniert. Momentan restaurieren Experten die insektizidverseuchte hölzerne Deckenkonstruktion zwischen Grotten- und Marmorsaal – mit Atemmaske und Schutzanzug

Sanssouci - Die Schlösserstiftung begibt sich auf eine in vielerlei Hinsicht heikle Mission: die Teilsanierung des Neuen Palais für 26 Millionen Euro bis 2017. Finanziert wird das Projekt durch das Masterplan-Programm des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg in Höhe von 155 Million zur Rettung der preußischen Residenzschlösser. Das Neue Palais ist ein Bau der Superlative, es ist mit einer Frontlänge von 220 Metern Länge das größte Schloss in der Region; es beherbergt mit dem 600 Quadratmeter großen Fußboden des Marmorsaals „das größte Kunstwerk der Schlösserstiftung“, wie Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh am Donnerstag anlässlich des Sanierungsbeginns nach Abschluss der seit Mai dauernden bauvorbereitenden Forschungen sagte. Zudem findet sich in dem 200-Räume-Schloss „Friedrichs größte Bausünde“, so Dorgerloh. Diese gelte es nun zu restaurieren.

Gemeint ist die Decke zwischen Grotten- und Marmorsaal. Nach Ende des Siebenjährigen Krieges wollte der Preußenkönig mit dem Kolossalbau die Rolle Preußens als Großmacht verdeutlichen. Doch bei den Baudetails wurde gespart: Entgegen dem Rat seiner Baumeister bestand Friedrich auf eine Holzbalkendecke statt eines soliden Deckengewölbes. Unter der Last des 90 Tonnen wiegenden Marmorfußbodens senkte sich die Zwischendecke jedoch umgehend – bereits fünf Jahre nach dem Einbau musste 1774 im Deckenaufbau eine hölzerne Sekundärkonstruktion integriert werden.

Nun, fast 250 Jahre später, hat Projektleiterin Heike Zeymer den Kampf mit der Decke aufgenommen, deren Tragfähigkeit nicht mehr ausreicht. Aufgrund einer noch heute beachtlichen Spannweite von 18,5 Metern treten gewaltige Schwingungen auf, die zu umfangreichen Schäden am Fußboden des Marmorsaals und der Stuckdecke des Grottensaals geführt haben. Nun müssen von Feuchtigkeit zerfressene Balkenköpfe ersetzt beziehungsweise mit „Prothesen“ verstärkt werden. So werden Profilstähle in noch intaktes Holz eingeschoben. Besonders dramatisch ist die Situation an der Fensterseite, so die Architektin. Dort hat Kondenswasser aufgrund von Temperaturschwankungen das Gebälk stark beschädigt.

Die Sanierungsarbeiten selbst müssen mit äußerster Vorsicht erfolgen, ist die Decke doch „mit hochwertiger Kunst besetzt“. Heike Zeymer in aller Klarheit: „Drei Millimeter Verformung wären tödlich.“ Die Unterseite bildet die Decke des Grottensaales und ist filigran geschmückt – mit Muscheln und Malereien, gefasst in einer bruchanfälligen Schicht aus Gips. Auf der Oberseite liegt der schwere Marmorfußboden des Marmorsaales, über dessen Sanierung Stiftungsmitarbeiterin Kathrin Lange berichtet.

Eine große Schwierigkeit sei es, hellgelben Sandstein zu bekommen, der für den Ersatz vieler Fehlstellen benötigt wird. „Jetzt gibt es nur noch dunkelgelbes Material“, sagt sie. Daher fahren Stiftungsexperten nach Siena in Italien mit der Hoffnung, bei alten Steinbruchfirmen „unterm Tisch“ noch hellgelbe Marmorblöcke zu entdecken. „Da ist viel Kommunikation nötig.“

Im Zusammenhang mit der Sanierung des Prachtfußbodens weist Stiftungschef Dorgerloh auf die Spendenaktion „Ein Quart Geschichte“ auf der Homepage der Stiftung unter www.spsg.de hin. Ab einem Betrag von 40 Euro könne symbolisch ein Stück des Marmorfußbodens gekauft werden – „ein wunderbares Geschenk, das nicht rumsteht, aber hier für die Ewigkeit bleibt“.

Toxische Hinterlassenschaften der DDR-Zeit sind eine weitere Schwierigkeit, mit der Projektchefin Zeymer zu kämpfen hat. Zu DDR-Zeiten wurden die Holzkonstruktionen „sehr konsequent“ mit dem Insektizid Hylotox 59 behandelt, das krebserregendes Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und Lindan enthält. Um die Gesundheit der an der Sanierung Beteiligten zu schützen, müsse ein striktes Sicherheitsregime eingehalten werden. Arbeiten an der Zwischendecke erfolgen unter Vollschutz – mit Atemmaske und Schutzanzug. Personen und Material gelangen „durch ein Komplex an Schleusen“ ins Freie, erläutert Heike Zeymer.

2015 solle der Marmorfußboden als einzigartiges begehbares Kunstwerk fertiggestellt sein. Dann können Besucher den gigantisch anmutenden Marmorsaal entlang der westlichen Längswand auf einem transparenten Steg wieder betreten und besichtigen. Der Marmorfußboden selbst darf laut Stiftung künftig nicht mehr betreten werden.

Als äußeres sichtbares Zeichen der Sanierung des Neuen Palais wird Ende August die Kuppelkrone, die von drei Grazien getragen wird, mittels eines Spezialkrans abgenommen. Untersuchungen haben ergeben, dass die Stützkonstruktion schwere Korrosionsschäden aufweist und erneuert werden muss. Wenn die Grazien 2014 wieder auf das Palaisdach zurückkehren, werden sie vergoldet sein, ebenso die Krone, erläuterte Dorgerloh.

Das zeitliche Sanierungsziel 2017 kommt indes nicht von ungefähr: Im Jahr 2018 wird des hunderjährigen Endes der deutschen Monarchie gedacht – und das Neue Palais war laut Dorgerloh „die offizielle Adresse Kaiser Wilhelms II.“.

Das Neue Palais wurde nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges zwischen 1763 und 1769 auf Anweisung des Preußenkönigs Friedrich II. an der Westseite des Parks Sanssouci in Potsdam errichtet. Die letzte bedeutende Schlossanlage des preußischen Barocks ist gleichzeitig die größte im Raum Berlin-Brandenburg. Sie ist als Dreiflügelanlage konzipiert und hat eine Frontlänge von 220 Metern. Das Neue Palais diente zunächst den Gästen des Hofes – mit 200 Räumen, vier Festsälen und einem Rokokotheater. Erst in der Kaiserzeit von 1871 bis 1918 war der Prachtbau auch Residenzschloss. Drei Architekten wurden mit dem Bau des Schlosses beschäftigt: Johann Gottfried Büring, Heinrich Ludwig Manger und Carl von Gontard. Der Mittelteil des Schlosses wird von einer großen, 55 Meter hohen Kuppel bekrönt. Auf ihr tragen drei Grazien auf einem Kissen die Königskrone. gb

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