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Landeshauptstadt: Verdacht: Einer will den Weg weg haben

Während Anlieger und Stadt um Kompromisse ringen, droht der Konsens zum Griebnitzsee zu platzen

Babelsberg – Wer sich derzeit dem Grundstück von John Flüh am Griebnitzsee nähert, wird von einem Bauzaun aufgehalten. Doch der seit dem Mauerfall 1989 so beliebte Uferweg im früheren Grenzgebiet ist weiterhin durchlässig – nur müssen Jogger und Spaziergänger an dieser Stelle einen Pfad direkt am Seeufer benutzen. Dort unten soll der neue Uferweg entstehen - zunächst allerdings nur im Abschnitt von Flüh. Die anderen Grundstücke im Bereich Virchowstraße 7 bis 45 liegen im Winterschlaf. Einige Eigentümer wollen den Weg später ans Ufer verlegen, andere warten ab.

Bislang geb es dennoch Konsens unter den Anliegern, dass der öffentliche Weg bleiben soll. Doch Flüh mutmaßt, dass mindestens ein Anlieger kein Interesse mehr daran hat, den Wegabschnitt auf seinem Grundstück weiterhin öffentlich zu belassen. Massiv kritisiert er den Bauunternehmer Wolfhard Kirsch, „der den Weg haben will“. Kirsch wolle, so sein Verdacht, „den Kompromiss blockieren, dicht machen“.

John Flüh ist der bislang einzige Anlieger des Griebnitzsees, der einen im Sommer des vergangenen Jahres erzielten Kompromiss zwischen Stadtverwaltung und Anwohnern in die Tat umsetzt. Dieser sieht vor, dass die Grundstückseigner den früheren Kolonnenweg der DDR- Grenztruppen auf eigene Kosten an das Seeufer verlegen. Im Gegenzug dafür, dass sich der privat nutzbare Teil des ehemaligen Mauergrundstücks bis fast zum Ufer vergrößert, garantieren die Anlieger, dass der Weg – der immerhin über ihr Privatgelände führt – öffentlich bleibt.

18 Seeanwohner im Bereich Virchowstraße hatten in den Kompromiss eingewilligt, der als Durchbruch in einer zum Teil erbittert geführten juristischen Auseinandersetzung zwischen Stadt, Bundesfinanzministerium und Anwohnern galt. Dabei hat die Stadt die schwereren Schlappen einstecken müssen, denn das Hauptziel, Erwerb des gesamten Areals am Ufer des Griebnitzsees zu günstigsten Konditionen, ist nicht durchsetzbar. Vielmehr sind längst zahlreiche Seegrundstücke an die erwerbsberechtigten Anlieger verkauft worden. Die Stadt wiederum hat sich mit einer Veränderungssperre und der Erarbeitung eines B-Plans in Position gebracht, um die Anlieger in Schach zu halten und wenigstens Teile des geplanten öffentlichen Uferparks verwirklichen zu können – und vor allem die Durchlässigkeit des Uferweges abzusichern.

In der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses wurde den Stadtverordneten ein dreiseitiges Papier ausgehändigt, das einen Zwischenstand der Problemlage am Griebnitzsee darstellt. Die wichtigsten Aussagen: mittlerweile existiert ein Vorentwurf zur Ausgestaltung der Uferflächen, in den auch die Wünsche der bislang 18 Seeanwohner mit Bauvoranfrage eingearbeitet wurden; für 15 der etwa 80 Grundstücke besteht bislang das Interesse an der (Wieder)-Errichtung von Stegen und Bootshäusern im Anklang an die private Ufernutzung vor dem Mauerbau; die Umsetzung des Kompromissvorschlages vom letzten Sommer wird frühestens ab dem kommenden Winter in Größenordnung auf anderen Grundstücken umgesetzt werden können; neben der Virchowstraße gibt es im Bereich Karl-Marx- Straße die Ankündigung weiterer Übereinkommen für den Uferbereich, die die Beibehaltung des jetzigen Wegeverlaufs zum Inhalt haben könnten.

Dass am Griebnitzsee kein eitel Sonnenschein herrscht, macht das Papier – wenngleich vorsichtig – auch deutlich. Als „maßgebliche kritische Punkte“ werden aufgeführt: die Beibehaltung bzw. Neuanlage von abgegrenzten privaten Flächen durch die Besitzer zwischen dem neuen Uferweg und dem Ufer selbst – was dazu führen könnte, dass das eigentliche Ufer dort nicht betreten werden kann; Konflikte, die sich am Aufenthalt von Personen im offenen Uferstreifen entzünden könnten; nicht zuletzt das Problem der Radfahrer.

Da wird Flüh sehr deutlich. Als „sehr ärgerlich“ und „nicht vertrauensbildend“ bezeichnet er die Tatsache, dass die Stadtverwaltung den Uferweg auch als Radweg propagiere – obwohl bei den Gesprächen im letzten Sommer das Radfahren nur als „nachrangig“ eingestuft worden sei. Flüh: „Die Anwohner fühlen sich hinters Licht geführt.“ Der nur drei Meter breite Uferweg sei keinesfalls für Radtourismus geeignet. Zugleich weist er darauf hin, dass von Anfang klar gewesen sei, dass die Verlegung des Grenzerweges mehrere Jahre dauern werde. Dies schließe ein, dass der Uferweg im Winter zu bestimmten Zeiten wegen der Baumaßnahmen abschnittsweise geschlossen werden müsse. Vereinbart sei aber auch, dass der Weg in der warmen Jahreszeit immer frei bleiben müsse.

Doch ob das gelingen wird, da sind sich Flüh und andere Anlieger nicht mehr sicher. Kirsch, so sagt Flüh, setze – im Gegensatz zu anderen Anliegern – auf die juristische Auseinandersetzung mit der Stadt, treibe „ein übles Spiel“. Auf Anfrage gibt Kirsch keine klare Zusicherung, den Weg über sein Grundstück künftig offen zu lassen, verweist vielmehr darauf, dass er sich mit der Stadt im Rechtsstreit befinde. Es komme darauf an, wie sich die Stadt verhalte, wenn er gewinne. Im übrigen: „Auch ich gehe gerne am Ufer des Sees spazieren.“ In der Fraktion hält sich Kirsch – weil befangen – zum Thema Griebnitzsee zurück. Fraktionschef Mike Schubert verweist auf die Beschlusslage. Und die sei eindeutig: Die SPD spricht sich für einen öffentlichen Uferweg am Griebnitzsee aus. Schubert: „Es wäre bedenklich, wenn ein Einzelner den mühsam erreichten Kompromiss hintertreiben würde.“

Michael Erbach

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