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Fischfänger. Eberhard Weichenhan angelte schon als Kind an der Nuthe.

©  Juliane Wedemeyer

Von Juliane Wedemeyer: Von Fischen und Menschen

Eberhard Weichenhan ist Potsdams oberster Angler. Nur zum Angeln kommt der Verbandschef kaum noch

Seine Frau muss zu Hause bleiben. Das Angeln gehört Eberhard Weichenhan allein. Dabei möchte er nicht gestört werden, nicht von ihr und auch nicht von anderen Anglern. Und das ist schwer. Denn Eberhard Weichenhan ist in Brandenburg so etwas wie ein Angel-Promi. Er ist seit 19 Jahren der Präsident des Anglerverbands, Mitglied im Landesfischereibeirat und sitzt im Präsidium des Deutschen Fischereiverbandes, der höchsten Dachorganisation aller Berufs- und Freizeitfischer. Er hat die Weltmeisterschaft der behinderten Angler 2008 nach Potsdam geholt und er hatte sich dafür eingesetzt, das Angeln ein Schulfach in Brandenburg wird. An 20 Schulen werde es gelehrt.

Mindestens 90 000 Menschen angeln laut Statistik des Anglerverbandes regelmäßig in Brandenburg, rund 76 000 sind Mitglieder in den Angelvereinen des Verbands. 1000 Flüsse und Seen in Brandenburg hat der Anglerverband für sie gepachtet. In der Landeshauptstadt leben rund 2000 Vereinsangler. Und viele von ihnen kennen Eberhard Weichenhan. „Hier komme ich gern her, hier stehen meist nicht so viele Angler“, sagt er. Hier wird er nicht belagert. Hier kann er die Stille genießen, die nur vom Vogelgezwitscher unterbrochen wird. Der 60-Jährige steigt aus seinem Auto. Langsam und bedächtig – das ist sein Tempo. Weichenhan, der sonst oft Hemd und Jacket trägt, hat jetzt eine khakifarbene Weste und grüne Gummistiefel an. Sein graues Haar lugt wirr unter dem grünen Basecap hervor. Er steckt die beiden Enden seiner Angelrute aufeinander, setzt sich seine Brille auf und beginnt langsam die hauchdünne Schnur durch die Ringe an der Rute zu ziehen.

Potsdam ist eine halbe Stunde entfernt. Er ist nach Kleinbeuthen gefahren, an die Nuthe. Bäume ragen an manchen Stellen bis übers Wasser. Auf den Feldern weiter hinten blüht der Raps. Früher ist er als Kind mit Fahrrad von Babelsberg aus hierher gefahren. Anderthalb Stunden war er unterwegs, nur um an dem kleinen Wehr Hechte und Barsche zu fangen. Mit fünf Jahren hat er das erste Mal geangelt. Bei seiner Oma in Petzow bei Werder. Am Petzower See. „Früher hat man sich noch das Abendbrot geangelt, das war normal.“ Wenn Oma Appetit auf Fisch hatte, schickte sie den Kleinen los. Auch heute geht Weichenhan meist nur dann angeln, wenn er Fisch essen will, sagt er. Aber manchmal erfasse ihn doch dieser Ehrgeiz, möglichst viele Tiere zu fangen. Angeln sei die Jagd des kleinen Mannes, hat Weichenhan schon früher einmal gesagt.

Er steht am Ufer. Mit einer kaum sichtbaren Bewegung wirft er die Angelschnur ins Wasser und beginnt sie dann sofort wieder aufzurollen. Gleichmäßig dreht er die Kurbel. Der metallene Spinnenköder am Schnurende schwimmt dabei wie ein kleiner blinkender Fisch knapp unter der Wasseroberfläche entlang. Das hat wohl auch der echte Fisch hinter dem Köder gedacht. Er schnappt zu. Doch statt der nächsten Mahlzeit hat der Raubfisch jetzt einen dreizackigen Angelhaken im Maul.

Weichenhan zieht die Beute aus dem Fluss. „Ein Döbel“, stellt er fest. Zum Mitnehmen ist er zu klein. Und so pfriemelt er vorsichtig den Haken aus dem aufgerissenen Fischmaul. Doch der sitzt fest. Es dauert. Und ein bisschen sieht es so aus, als müsste sich der Döbel einer komplizierten Zahnbehandlung unterziehen. Er blutet, als Weichenhan ihn zurück ins Wasser wirft. Danach beißt erst einmal keiner mehr an. „Wäre das ein Barsch gewesen, hätte ich jetzt den ganzen Schwarm wegangeln können“, sagt er, „aber Döbel sind schlau, die haben gleich gemerkt, dass einer in ihrem Schwarm gefehlt hat.“

„Wir müssen immer den Tierschutz beachten“ – darauf lege er Wert. Nie dürfe man einen Fisch mit trockenen Händen berühren, das zerstöre dessen Schleimhaut. Zur Laichzeit herrscht Angelverbot. Und hätte Weichenhan den Döbel mit nach Hause nehmen wollen, hätte er ihm erst mit einem Stock auf den Kopf geschlagen. Dann hätte er dem bewusstlosen Fisch das Messer durch Kiemen und Herz gestochen. Das sei die artgerechte Weise, Fische zu töten. Im Fischereibeirat, in dem Weichenhan als Vertreter der Angler die Landesregierung berät, gehe es nicht nur um deren Rechte, sondern auch um den Schutz und den Erhalt der Artenvielfalt der heimischen Fische, erklärt Weichenhan. Darum kümmere sich besonders ein anderes Beiratsmitglied: der Chef des Potsdamer Naturkundemuseums, Detlef Knuth. Knuth ist bei Anglern nicht unbedingt beliebt. Weichenhan komme aber sehr gut mit ihm klar. Er finde es wichtig, wofür sich der Museumschef einsetzt.

Weichenhans Ämter sind Ehrenämter. Angeln ist für ihn Berufung. Und Beruf: Der studierte Betriebswirt ist Versicherungsmakler – hauptsächlich für Fischereibetriebe und Angelvereine. Zurzeit tagten die Kreisvereine, er ist fast jedes Wochenende unterwegs. Wenn er angeln fährt, stellt er sich den Wecker auf vier Uhr. Morgens und abends fängt man die meisten Fische. Jetzt scheint schon die Sonne. Es ist Ende April. „Ich war eben das erste Mal in diesem Jahr angeln“, sagt Weichehan. Ihm fehlt die Zeit dazu. Und alles nur, weil Angeln seine Berufung ist.

Juliane Wedemeyer

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