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Weisse Flotte Potsdam: „Wir zerstören den Lustgarten nicht“

Weisse-Flotte-Chef Jan Lehmann über die Kritik an den Neubauplänen, Sichtachsen und das Schweigen des Oberbürgermeisters

Herr Lehmann, hätte es Hasso Plattners Kunsthallen-Pläne nicht gegeben, würden Sie in diesem Jahr die Eröffnung des Flottenneubaus direkt am Mercure-Hotel feiern. Wie groß ist Ihre Wut?

Auf Hasso Plattner bin ich nicht wütend. Aber natürlich hat seine Offerte uns mindestens ein Jahr Zeit gekostet. Aber man kann ja nicht nur von eigenen Belangen ausgehen, wenn die Stadt ein Angebot für eine Kunsthalle bekommt. Natürlich frage ich mich aber, ob dieselben Leute, die uns jetzt angreifen, Herrn Plattner in dem gleichen Maß kritisiert hätten.

Seit sieben Jahren kämpfen Sie für einen Neubau im Lustgarten. Nach dem Aus für die Kunsthallen-Pläne gab es einen neuen Standort, getrennt vom Hotel. Auch dieser Kompromiss droht nun am Veto der Stadtpolitik zu scheitern. Was empfinden Sie?

Da bin ich allerdings etwas aufgewühlter, zumal es ja nicht der Wunsch der Weissen Flotte war. Der Standort am Neptunbecken ist ein Kompromiss, den wir gemeinsam mit der Stadtverwaltung gefunden haben, als klar war, dass Hasso Plattner das Mercure-Hotel kaufen, es abreißen und dort eine Kunsthalle bauen wird. Dieses Vorhaben war mit einem Neubau für die Weisse Flotte dort unvereinbar. Dass die Politik nun aufgewacht ist, die Problematik aber seit sieben Jahren ignoriert hat, kann ich nicht nachvollziehen. Das Unverständnis für die politische Diskussion ist bei uns auch deshalb so groß, weil die Stadtverordneten der Weissen Flotte bereits per Beschluss eine Standortgarantie für den Verbleib am Hafengelände gegeben haben. Wenn jetzt über Alternativen außerhalb des Lustgartens debattiert wird, passt das einfach nicht zusammen.

Der Standort am Neptunbassin war schon vor Jahren im Gespräch. Damals hat die Stadt diese Lösung noch abgelehnt. Wie erklären Sie sich den Sinneswandel im Rathaus?

Ganz einfach: Die Diskussion über das Mercure wird auch ohne Hasso Plattner weitergehen, vielleicht nicht in drei oder fünf Jahren, aber sie wird geführt werden. Erklärtes Ziel der Politik ist es, das Hotel abzureißen. Irgendwann kommt wieder ein Mäzen und dann geht alles wieder von vorne los. Darum haben wir den Kompromiss gefunden, der für das Hotel alle Optionen offenlässt. Und nun macht die Politik wieder nicht mit.

Alle Standorte im Lustgarten sind bereits ausgiebig diskutiert worden. Viele fordern nun, den Neubau wegen der Bedeutung des Areals an anderer Stelle zu errichten, am Meyer-Ohr oder an der Planitz. Was spricht gegen diese Standorte, zumal sie – Ihrer Forderung entsprechend – auch alle am Wasser liegen?

Sie liegen alle am Wasser, das stimmt. Aber die Weisse Flotte gibt es seit 1949 hier im Lustgarten. Sie wurde vor zwölf Jahren privatisiert, weil das Unternehmen für die Stadt ein Verlustgeschäft war. Wir haben aus der Weissen Flotte wieder ein funktionierendes Unternehmen gemacht und viele Arbeitsplätze geschaffen. Natürlich muss das Unternehmen seinen Sitz dort haben, wo die Schiffe ablegen – und das ist nun einmal der Hafen. Am Meyer-Ohr reicht erstens der Platz nicht. Zweitens gibt es unterirdische Bauwerke, ein riesengroßes Regenablaufbecken für die Bahnhofspassagen etwa. Der Platz dort reicht außerdem gerade, dass ein Schiff dort anlegen kann. Sie können keinem Fahrgast zumuten, dass er im Lustgarten sein Auto parkt, dann über die Lange Brücke geht, um sich ein Ticket zu kaufen, und dann wieder zurück, um sein Schiff zu besteigen. Auch für das ältere Publikum sind solche Wege undenkbar. Und unsere Zielgruppe sind eben gerade die Menschen im gesetzteren Alter. Wir haben jährlich 300 000 Besucher. Die erwarten nicht nur Sichtachsen. Sie erwarten zu Recht auch Toiletten in ausreichender Zahl. Sie erwarten eine gastronomische Betreuung im Lustgarten, während sie auf ihr Schiff warten. Und das kann nur die Weisse Flotte bieten.

Sie sprachen die Sichtachsen gerade an. Viele Kritiker pochen auf die große Bedeutung des Lustgartens als Gartendenkmal. Der Gartenexperte Wimmer sprach gar vom ersten Park Brandenburgs nach französischem Vorbild.

Solche Äußerungen ringen mir allenfalls ein Schmunzeln ab. Bleiben wir bei den sichtbaren Fakten: Der Lustgarten ist seit seinem Neubau zur Bundesgartenschau 2001 ein toter Raum. Hier passiert gar nichts. Es gibt einmal im Jahr das Stadtwerkefest, fünf Trödel- und drei Stoffmärkte. Wenn jemand den Lustgarten belebt, ist das die Weisse Flotte. Natürlich ist das Areal nach historischem Vorbild angelegt. Aber zu behaupten, wir zerstören mit unserem Neubau den Lustgarten, stimmt einfach nicht.

Der ehemalige Chef des Mercure-Hotels, Rudolf Freiherr von Ketteler, fürchtet um künftige Sponsoren für den Wiederaufbau der Neptungruppe, für die sich sein Förderverein engagiert.

Wir haben da eine andere Auffassung. Natürlich kann ich Herrn von Ketteler auch ein Stück verstehen. Aber ich glaube, dass das Neptunbecken und die Figurengruppe durch unseren Neubau sogar aufgewertet werden, weil sich unsere Gäste direkt am Standort über die Geschichte des Bassins informieren können und sich damit noch mehr Menschen für das Wiederaufbauprojekt interessieren werden.

Herr von Ketteler hatte selbst einen Entwurf präsentiert, der eine Randbebauung des Neptunbeckens in U-Form vorsieht. Was halten Sie davon?

Der Entwurf ist leider nicht umsetzbar. Der Platz reicht nicht aus, um eine Feuerwehrzufahrt zu gewährleisten. Auch die Kleingärtner kämen nicht mehr in ihre Gärten am Hinzenberg. Unser zum Bahndamm gelegener Gebäuderiegel ist schmal genug für die Feuerwehr und lässt außerdem noch Platz für die ISES (Innerstädtische Entlastungsstraße – Anm.d.Red.), ob sie nun kommt oder nicht. Letztlich kann man den Baukörper schon deswegen nicht weiter an den Bahndamm rücken, weil der Stadt das Gelände gar nicht gehört, sondern der Deutschen Bahn und dem Bund.

Kritik gab es auch an den Dimensionen des L-förmigen Neubaus und den Restaurantkapazitäten mit 250 Plätzen. Könnte man das Projekt nicht etwas abspecken?

Wir haben jetzt schon ein Restaurant mit 55 Plätzen im Hafengebäude. Im Sommer kommen noch einmal bis zu 160 Plätze außen hinzu. Im Winter bieten wir inklusive Palmenzelt dieselbe Größenordnung an. Jeder, der sagt, wir betreiben hier eine Großgastronomie, verkennt die Tatsachen. Wir machen das Catering für unsere Schiffe selbst. Das macht auch einen Großteil des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens aus. Darum brauchen wir eine Küche, die den Anforderungen gewachsen ist. Aus diesem Grund hat das Gebäude auch diese Dimensionen. Das Angebot steigt allenfalls um 50 Plätze. Ein Unternehmen mit 300 000 Fahrgästen benötigt auch eine entsprechende Infrastruktur. Unsere Kunden – zumal Reisegruppen – erwarten, dass nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter gastronomische Betreuung geboten wird. Das sichert auch die große Zahl von Arbeitsplätzen. Allein in der Gastronomie haben wir 42 Festangestellte.

Probleme gibt es auch mit dem Architekturbüro Dietz-Joppien, auf dessen Entwurf der Lustgarten zurückgeht.

Das sehen wir gelassen. Laut Vertrag zwischen Stadt und Architekturbüro hat die Stadt sowohl die Nutzungs- als auch die Veränderungsrechte im Lustgarten. Letztlich muss die Stadt das Problem lösen.

Die Stadtverwaltung hatte Nachbesserungen angekündigt, nachdem der Bauausschuss das Projekt abgelehnt hatte. Wo soll gespart werden?

Nach harten Verhandlungen haben wir einen weiteren Kompromiss gefunden, über den heute im Hauptausschuss beraten werden soll. Wir werden den Flügel an der Havelseite um 15 Meter kürzen, damit die Sicht auf das Neptunbecken weniger verstellt ist. Wir hoffen damit die Kritiker zu besänftigen, die die Sichtachsen als schützenswert erachten. Ticketschalter, Kundenservice und Toiletten bleiben dann zunächst im Hafengebäude. Wenn eines Tages das Mercure abgerissen wird und mit ihm das Hafengebäude, bauen wir als Ersatz einen kleinen Pavillon am gleichen Standort. Das ist keine kleine Kröte, die wir da schlucken, aber wir wollen uns kompromissbereit zeigen.

Der Standort am Neptunbecken wurde gemeinsam mit der Stadtverwaltung als Bauplatz festgelegt. Fühlen Sie sich in der derzeitigen politischen Diskussion eigentlich ausreichend aus dem Rathaus unterstützt?

Zunächst einmal: Die Zusammenarbeit mit der Bauverwaltung war wirklich gut und konstruktiv. Was wir vermissen, war und ist ein klares Wort des Oberbürgermeisters, denn auf ihn geht der Kompromissvorschlag letztlich zurück. Aber er hat sich zuletzt leider überhaupt nicht zu dem Thema geäußert.

Was machen Sie denn, wenn die Stadtverordneten das Projekt trotz der Nachbesserungen ablehnen?

Für diesen Fall gibt es einen Plan B, zu dem ich mich jetzt aber nicht äußern will. Ich appelliere an die Stadtverordneten, daran zu denken, dass die Weisse Flotte als städtisches Unternehmen erfolglos war und deswegen privatisiert wurde. Jetzt ist das Unternehmen erfolgreich, schafft Arbeitsplätze und zahlt pünktlich seine Steuern. Ich gehe immer noch davon aus, dass man ein solches Unternehmen nicht im Regen stehen lässt. Es wäre ein vollkommen falsches Signal, wenn die Stadt Potsdam erfolgreiche Unternehmen nicht unterstützt, nur weil sie irgendwelche historischen Sichtachsen stören. Wir erwarten, dass sich die Stadtverordneten an ihren Beschluss halten, wonach die Weisse Flotte eine Standortgarantie im Lustgarten hat. Und außerdem: Die Landesinvestitionsbank ILB hat das Hafengebäude seinerzeit gefördert, und zwar zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur. Und das passiert hier gerade: Das Unternehmen war erfolgreich und nun muss die Infrastruktur abermals verbessert werden. Mir ist nicht bewusst, dass der Fördertopf hieß: Wiederherstellung der historischen Sichtachsen von 1735.

Das Interview führte Peer Straube

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