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Kultur: Bei Strafe des Todes: Das seidige Geheimnis

In der Reihe „Potsdamer Pomologische Geschichten“ ist der Band „Maulbeeren – Zwischen Glaube und Hoffnung“ erschienen.

Unter einem Maulbeerbaum wollen die liebenden „Pyramus und Thisbe“ zusammenkommen, so heißt es in der Sage von Ovid. Die beiden wähnen sich jedoch gegenseitig für tot, und dies führt zu einem doppelten Selbstmord. Die sterbende Thisbe fleht den Maulbeerbaum an, zum ewigen Mahnmal des Unglücks zu werden. Die Früchte des Baumes verfärben sich somit rot und schwarz vom Blut.

Im Christentum wurden die unterschiedlichen Farben der Maulbeeren gedeutet. Die weiße Farbe der Beeren sollte für die Unschuld des Paares stehen, die rote Farbe dem von der Lust überbewältigten Menschen entsprechen, und die schwarze Farbe verbunden mit der Vorstellung von Grab und Tod die im Feuer der Wollust sterbende Menschenseele symbolisieren.

Die Maulbeerbäume hatten nicht nur in der Mythologie und Religion einen Platz. Die florierende Seidenproduktion als Wirtschaftszweig gebunden an den weißen Maulbeerbaum geriet beinahe gänzlich in Vergessenheit und mit ihm ein Stück Kulturgeschichte.

Michael Seiler geht der Geschichte des schwarzen und weißen Maulbeerbaumes in dem Band „Maulbeeren - Zwischen Glaube und Hoffnung“, welcher in der Reihe „Potsdamer Pomologische Geschichten“ neu erschien, nach. Seiler erkundet die Historie des Kultivierungsversuches eines Baumes, „der einst aus aller Herren Länder in die Mark Brandenburg kam und nicht nur seine irdischen Güter, sondern auch seine Geschichten mitbrachte."

Vor allem wegen seiner Früchte wurde der schwarze Maulbeerbaum angebaut. Die römische Kultur seiner Nutzung setzte sich in den mittelalterlichen Klöstern fort, auch weil man daraus den Sirup gewinnen wollte, der unter anderem als Medizin genutzt wurde.

Der weiße Maulbeerbaum, wurde erst sehr viel später in Europa eingeführt als der schwarze. Er wurde nicht wegen seiner Früchte, sondern wegen seiner Blätter, die der Seidenraupe zur Nahrung dienen, angebaut.

Die Seidenfabrikation war ein über Jahrhunderte unter Androhung der Todesstrafe gehütetes Geheimnis Chinas. Erst 552 brachten zwei griechische Mönche die Eier des Seidenspinners heimlich nach Byzanz.

Über die „Seidenstraße“ gelangte der Seidenbau im Mittelalter auch nach Europa. Zunächst wurde der weiße Maulbeerbaum zum Zwecke der Seidenproduktion in Frankreich und Italien kultiviert und kam dann durch die Hugenotten nach Brandenburg-Preußen. Insgesamt vier preußische Könige und sogar Gottfried Wilhelm Leibniz als Präsident der Societät der Wissenschaften hatten sich der Produktion der Seide verschrieben.

Stark forciert wurde der Seidenbau von Friedrich II, da der Bedarf an Seide durch die Produktion im eigenen Land gedeckt werden sollte. In der Zeit von 1740-1786 hatte er hier rund zwei Millionen Taler investiert. Das Projekt war nach 50 Jahren gescheitert. Kurz nach dem Tode Friedrich II. gab es in Preußen jedoch immerhin über eine Million Maulbeerbäume.

Von diesen Bäumen, die einst seit dem 17. Jahrhundert in Brandenburg wuchsen, haben nur wenige überlebt.

Der Buch „Maulbeeren – Zwischen Glaube und Hoffnung“ ist sorgfältig bearbeitet und herausgegeben von Marina Heilmeyer. Schön sind die zahlreichen Illustrationen, die hinzugezogenen Beispiele aus der Kunst und das Beleuchten des Maulbeerbaumes von allen Seiten. Der Autor wertet hierfür umfangreiches Quellenmaterial aus. Berechtigt ist es auch, vorrangig den weißen Maulbeerbaum vorzustellen, da sich auf ihn ein ganzer Wirtschaftszweig gründet.

Neben dem ausführlichen Gang durch die Historie des Maulbeerbaumes gibt es einen Exkurs zur Botanik und es wird anhand von Rezepten einsichtig, dass der Maulbeerbaum auch kulinarisch einiges zu bieten hat.

Interessant wäre es gewesen, über den Seidenbau in anderen europäischen Ländern sowie China genauer zu berichten. Mit der detailreichen Schilderung der Politik des Seidenbaus in Brandenburg-Preußen ist der Band jedoch ein wichtiger Beitrag nicht nur zur Kulturgeschichte des Maulbeerbaumes, sondern auch zur Regionalgeschichte.Annegret Dahm

vacat verlag Potsdam, 15 €

Annegret Dahm

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