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Kultur: Der Bonus des Tages

Potsdamer Orchesterwoche gab Abschlusskonzert in der Friedenskirche Sanssouci

Zu den sicheren Posten der „Potsdamer Orchesterwoche“, einer Vereinigung von Laienmusikern aus ganz Deutschland, gehört nicht nur die jährliche Tournee durchs Brandenburger Land, sondern auch ein stets gutbesuchtes Abschlusskonzert in der Friedenskirche.

Den erkrankten Gründer Dietrich Schönherr vertretend, studierte Holger Krause mit seiner aktuellen „großen Orchesterbesetzung“ sinfonische Werke von Mozart, dem unbekannten L. A. Lebrun und Brahms ein, wie immer ohne öffentliche Fördermittel, wie immer vom Genius musicus persönlich motiviert. In medias res: Mozarts Sechs Deutsche Tänze KV 571 halten besonders für die Holzbläser große Aufgaben bereit. Kompositorisch sind sie von einiger Raffinesse, helle und dunkle Parts wechseln einander kontrastreich ab, oft gibt es sphärische Interludien. Spannend die Eröffnungen: Satz Nummer 3 gibt sich pompös, die folgende wählt ein längeres Vorspiel, beim letzten Tanz ein dunkler Auftakt mit Signalmotiv. Holger Krause hat sie alle mit Sinn für das Detail erarbeitet, allerdings vermisste man den leichten Ton. Es sind eben deutsche Tänze.

Dafür stand das gesamte Konzert im Zeichen einer wohltuenden Ruhe: Eher selten, dass sich Künstler so viel Zeit nehmen, um ein Werk zu realisieren. Dies war der Bonus des Tages. Genau dieses gebremste Temperament ermöglichte dem etwas verkleinerten Orchester die brillante Darstellung des Konzerts für Oboe und Orchester Nr. 2 g-Moll von Lebrun aus dem 18. Jahrhundert. Bereits mit 12 Jahren Mitglied an der Mannheimer Hofkapelle, schrieb er sich, als in Europa geschätzter Oboen-Virtuose, seine Partituren selbst. Homophone Schlichtheit statt Polyphonie, flächenhafte Sätze, schöne Tremolos aus der Mannheimer Schule – Mozart hörte ihn und war begeistert. Dem Potsdamer Publikum ging es mit dem eleganten Vortrag von Martin Letz genauso. Dank der großzügigen „Zeitvorgabe“ des Dirigenten sollte man mit Freude hören, was ein Allegro oder ein Adagio sein kann. Im prachtvollen Kopfsatz entwickelt sich über einer schlichten Melodie das ausdrucksvolle Spiel zwischen Oboe und Orchester, reich verzierte, üppige Soli bewirken Klangfülle und eine Leichtigkeit, welche dem Tanzschritt ähnelte. Der Mittelsatz, ein Adagio, war traurig-schön, nicht aber hoffnungslos. Im Rondo-Allegro versöhnen sich dann Instrument und Orchester im synchronen Spiel, indes sich die Coda seltsamerweise der Oboe entschlug.

Brahms Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 im pastoralen Stil beendete das Abschlusskonzert. Sie hat, was ihrem Zwilling in A-Dur fehlt, eine reiche Streicherbesetzung und die schon früh kritisierte Üppigkeit einer viel zu breiten Anlage. Beide werden selten gespielt. Im Gesamtbild durchaus schlüssig, schlichen sich ein paar Intonationsschwächen ein, doch wurde man durch schön geblasene Hörner und alert gezupfte Geigen versöhnt. Der Kopfsatz wollte schier kein Ende nehmen, dafür geriet der dritte im Adagio non troppo ganz herrlich sentimental. Das Finale war heiter und glänzend. Langer Beifall als Dank. Zeit ist eben der Bonus aller Musik.Gerold Paul

Gerold Paul

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