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Kultur: „Ich mag Schweiß, Rauch, Whisky“

Die schwedische Jazzsängerin Viktoria Tolstoy gibt am Mittwoch im Nikolaisaal ein Konzert

Frau Tolstoy, Sie kommen aus Schweden und sind mit 31 Jahren bereits eine international anerkannte Jazzsängerin. Haben Sie bei einer so schnellen Karriere trotzdem angefangen wie viele andere Jazzsänger auch: in verrauchten Clubs in Hinterhöfen?

Ja, genau so. Mit meinem Vater am Piano, in Clubs in der Stadt Uppsala, wo ich aufgewachsen bin. Und ich mag die Atmosphäre bis heute sehr. Viele Leute, Schweiß, Rauch, Whisky. Das ist die typische Jazzwelt.

Wie sind Sie zum Jazz gekommen?

Über meinen Vater. Er spielte Jazz, hat Platten aufgenommen, als ich Kind war. Ich hatte nie Gesangsunterricht, hab jeden Tag gesungen, aus Spaß. Er hat mich korrigiert. Am Anfang fand ich Jazz nur toll, ohne ihn wirklich zu verstehen. Das hat dann erst mit 15 angefangen. Da hat mich die Musik dann richtig gepackt.

Haben Sie Vorbilder?

Ganz viele. Wen soll ich aufzählen? Miles Davis, Billie Holiday, Ella Fitzgerald.

Mit welcher Jazzgröße würden Sie gerne mal auf der Bühne stehen?

Mein Traum ist, einmal mit Keith Jarrett Musik zu machen. Ganz frei, einfach zu gucken, wohin die Musik uns treibt.

Was macht Jazz für Sie aus?

Genau diese Freiheit. Die Freiheit zu improvisieren. Jazz ist nie langweilig, an jedem Abend auf der Bühne kann ich eine andere sein.

Es gibt Jazz in unzähligen Varianten, Dixieland Jazz, Progressive Jazz, Free Jazz, Acid Jazz. Würden Sie sagen, dass es auch einen speziell nordischen Jazz gibt?

Ich denke schon. Der Jazz aus dem Norden ist sehr melancholisch, hat viel Luft.

Viel Luft?

Nordischer Jazz hat mehr Pausen, die Atmosphäre ist anders, nicht so laut, irgendwie klarer.

Kann man das mit der Stimmung nordischer Filme vergleichen?

Ja, mit nordischen Filmen, Möbeln, Autos, was auch immer. Alles hat sehr klare Linien. Alles ist sehr einfach. So wie wir. Wir sind einfache Menschen hier oben.

Was werden Sie in Potsdam spielen?

Lieder aus meinem neuen Album „My swedisch heart“ und von der vor zwei Jahren rausgekommenen Platte „Shining on you“.

Sie werden mit einem Trio spielen, dass Sie oft auf Ihren Konzerten begleitet.

Es ist einfacher miteinander Musik zu machen, wenn man sich gut kennt. Mit dabei in Potsdam ist Jacob Karlzon am Piano, Peter Danemo am Schlagzeug und Hans Andersson am Bass.

Wie ist das, so oft auf Tour zu sein? Haben Sie Familie?

Mir gibt das sehr viel, die Konzerte wiegen den Reisestress in jedem Fall auf. Und für meinen Mann ist das auch okay. Er ist Modedesigner und auch sehr oft unterwegs. Er hat eine elfjährige Tochter, die an jedem zweiten Wochenende zu uns kommt. Wir leben in einem Haus in der Nähe von Stockholm.

Macht es einen Unterschied, wo Sie Ihre Konzerte geben, ob Sie in Uppsala, Wien oder Potsdam auf der Bühne stehen?

Das schwedische Publikum ist sehr ruhig. Es zeigt selten Gefühle, meistens wird es erst warm, wenn das Konzert fast vorbei ist. Ganz anders als das deutsche Publikum. Das geht von Anfang an mit, zeigt, wenn es ihm gefällt. Das mag ich.

Dann sind Sie wohl keine typische Schwedin.

Nein, wohl nicht. Ich bin vom Temperament her wohl eher eine Mischung: ein bisschen Schwedin, Deutsche, vielleicht Italienerin.

Und Russin. Ihr Ur-Ur-Großvater ist Lew Tolstoi.

Genau. Da bin ich ziemlich stolz drauf.

Kennen Sie seine Bücher?

Anna Karenina hab ich gelesen. Eine faszinierende Geschichte.Das Gespräch führte Marion Hartig

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