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Kultur: Irrflug

Auf dem Theaterschiff: „Beatles an Bord“

Man könnte es vielleicht so formulieren: Was heute unter dem Wort „Comedy“läuft, ist zugleich die Versuchung jedes ernsthaften Theaterprojektes. Comedy will die schnellen Lacher, den leichten Erfolg, indes die guten alten Bretter doch immer „Welt“ bedeuten möchten. Genau hier scheint das Problem der neuen Inszenierung „Beatles an Bord“ zu liegen, die auf dem Theaterschiff zur Premiere gebracht worden war. Von den vier Pilzköpfen waren die bekanntesten Melodien von der ersten bis zur letzten Stunde ihres Seins an Bord. Songs wie „Help!“ oder „Lucy in the Skye with Diamonds“ hatten bei diesem Extrem- und Katastrophenflug die Aufgabe von Kommentaren. Da war viel zu kommentieren: Der besoffene Pilot Maurice Sarkozy (Off-Stimme) beherrschte die Nautik nicht, sein Copilot war verschwunden, ein Triebwerk brannte, der Tank hatte ein Leck, und auch im schmuddeligen Passagierraum (Bühne Norman Jahnke) klappte nichts, kurzum, ein Absturz auf der Linie Berlöh’n - Pari’ war in dem „Comedical“ von Enrique Keil vorprorammiert.

Hätten die drei Stewardessen Babette (Constanze Jungnickel), Jeanette (Claudia Herold) und Raclette (Isabelle Liere) sozusagen berufsbedingt darauf reagiert, wäre das in Ordnung gegangen. Die Regie (Thomas Frick) aber beschränkte ihr akzentbelastetes Dasein bedauerlicherweise mehr auf sich selbst denn auf die längsschiffs sitzenden Fluggäste. Sie machte ein zeitströmendes Comedian-Produkt daraus, nicht aufregend, nicht wichtig.

Das Figurengefüge ist unerklärlich dürftig angelegt. Raclette zum Beispiel wurde von den beiden Kolleginnen ständig gemobbt, reagierte aber höchstens mit Schmollmund oder mit Freiübungen, jedenfalls nicht szenengerecht. Man bekam im Laufe der zweistündigen Arbeit ohnehin bald den Eindruck, als wollte das Ensemble möglichst nahtlos an Erfolge wie etwa „Sekretärinnen“ anknüpfen. Regisseur Frick hatte bei seinem nautischen Irrflug wohl übersehen, wie sehr dieses klug erdachte Stück ein adäquates Bühnenwissen fordert: Zu bedenken waren eine konfliktorientierte Grundstruktur, entsprechend geführte (und differenzierte) Figuren, erspielte, nicht nur behauptete Situationen, eine Komik, die aus der Tragik (und aus sonst nichts) heraus kommt. Handwerkliches eben.

Was die drei theatererfahrenen Damen in ihren kurzen Röckchen hingegen mit so viel Schweiß und Einsatz anboten, glich mehr einem Nummernprogramm als einer kaskadierenden Handlung mit Katastrophen-Effekt. Babette, Jeanette und Raclett (letztlich die Retterin des Fluges) sangen die Songs trotz gelegentlicher Oktavensprünge fast situationsfrei, und wie sie statt Vieren nur Dreie waren, so auch die Live-Band mit Bernhard Frese, Stephan Pfaff und Matthias Suter. Nach jedem Titel Applaus mit der Erkenntnis: Die vier Beatles sind eben zeitlos gut!

Wer sie also mit erheblicher Beinfreiheit und erotischem Drumherum hören will, ist auch bei dieser neuen Inszenierung gut aufgehoben. Die Anspruchsvolleren kommen freilich nicht auf ihre Kosten. Gerold Paul

Nächste Vorstellungen 11. und 12. Juni

Gerold Paul

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