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Kultur: Lob auf die „himmlische Musik“ Staatsorchester spielte Glier und Mahler

So mancher Konzertbesucher bevorzugt in der Adventszeit festliche Musik. Sie sollte vor allem schön sein.

So mancher Konzertbesucher bevorzugt in der Adventszeit festliche Musik. Sie sollte vor allem schön sein. Zum Nachdenken darf sie natürlich anregen, doch das Gehirn nicht zu sehr strapazieren. Der Nikolaisaal hat am Samstag seinen Gästen des 4. Sinfoniekonzerts im ersten Teil ein Werk präsentiert, das mit seiner volkstümlich-eingängigen Musiksprache ganz und gar Freude brachte: das 1938 uraufgeführte Harfenkonzert in Es-Dur op. 74 des russischen Komponisten Reinhold Glier, das in der Tradition der russischen Romantik steht. Auch die nach der Pause dargebotene Sinfonie Nr. 4 G-Dur von Gustav Mahler, um 1900 entstanden, scheint nach dem ersten Hören die heile Welt zu hofieren, in der ein verklärendes Lob auf die „himmlische Musik“ angestimmt wird. Doch der Schein trügt.

Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) nahm sich unter der Leitung von Howard Griffiths der beiden unterschiedlichen Kompositionen an. Für das Harfenkonzert konnte der Franzose Emmanuel Ceysson gewonnen werden, der an der Metropolitan Opera New York musiziert. Mit der silbrigen Höhe, der weich ansprechenden Mitte und der kernigen Tiefe seines Instruments zauberte Ceysson ein nobel gedecktes Glitzern und Funkeln. Mit den reichlich vorhandenen schwelgerischen Melodien und den kunstvollen Arpeggien, die das Konzert aufweist, zeigte der Solist Virtuosität, Gespür für zarte, lyrische Stimmungen und Freude am Dialog mit dem schwungvoll und transparent spielenden Staatsorchester. Dass es sich bei dem Werk laut einer Internet-Umfrage um das beliebteste Harfenkonzert handelt, wird nach dem lang anhaltenden Beifall des entzückten Publikums im Nikolaisaal deutlich.

Gustav Mahlers 4. Sinfonie wurde in der Interpretation von Howard Griffiths und des Staatsorchesters weitgehend mit Tiefenschärfe ausgelotet und mit ausbalancierter Klangkultur musiziert. Natürlich ging der Dirigent vom naiv-bäuerlichen Wunderhorn-Gedicht „Von den himmlischen Freuden“ aus, das im Finalsatz von einem Solo-Sopran gesungen wird. Kindheit und Tod waren somit das Programm von Griffiths’ Auseinandersetzung mit Mahler. Mit dem „närrischen“ Schellenklang nahm eine Deutung ihren Anfang, in der Abgründiges und Ambivalentes sich trafen. Griffiths betonte seine erfrischende Mahler-Lesart mit Tempounterschieden, überzeichnete die Süße des Beginns des zweiten Themas und schaffte es so, der vordergründig so zuckerigen Klangfülle einen anderen Dreh zu geben. Das Orchester präsentierte sich als ein im Mahler-Idiom geschulter Klangkörper: Die Übergänge saßen perfekt, die Klangwelt wirkte rund, wo sie rund sein sollte, und skurril, wo ein solcher Ausdruckswert gefragt ist. Dass in allen Instrumentengruppen höchst versierte Musiker vorhanden sind, kam der Interpretation zugute. Im vierten Satz mit dem Sopran-Solo, gesungen mit klarer Stimme von Klara Ek, wurde „Das himmlische Leben“ nicht zu sehr als ein lustiges Treiben dargeboten. Da gab es vor allem melancholische Ausdrucksmomente. Frohes Getümmel himmlischen Lebens sieht so aus? Wir lassen uns überraschen. K. Büstrin

K. Büstrin

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