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Shakespeare in Petzow: Mythische Figuren, menschliche Probleme.

© Nico Seichter

KulTOUR: Von Trollen und tollen Weibchen

Die Werderaner „Comédie Soleil“ führt Shakespeares „Sommernachtstraum“ open air auf

Werder (Havel) - William Shakespeares turbulenter „Sommernachtstraum“ aus dem Jahr 1594 wird meist für ein poetisches Naturmärchen gehalten. Vordergründig ringen hier gleich vier Paare um Gleichklang und Eheglück, doch ist die Mittsommernacht kein Zufall beim Spiel mit den Sinnen: Was ist nun wahr, was Trug zwischen Himmel und Erde, und wem kann man noch glauben, wenn Menschen plötzlich zu Eseln werden, Liebende zu Feinden, nur weil die Elfenherrscher Oberon und Titania im Streite liegen? Noch gilt ja das hermetische Prinzip „Wie oben - so unten“.

Auch in Athen, wo Theseus und Hippolyta gerade zur Hochzeit rüsten. Hier bestimmt Vaterrecht über das Glück der Kinder. Tod oder lebenslanges Kloster, wer sich dem widersetzt! Das könnte Hermia bald blühen, ihr Vater hat sie dem reichen Demetrius versprochen, sie aber liebt Lysander. Nur Flucht in Athens Nahwald kann sie davor retten. Und noch ein Paar ringt gegen – oder miteinander: Wie lange, und wie vergeblich, läuft wohl Helena schon dem Demetrius hinterher!

Sechsundzwanzig Rollen hat Shakespeare für dieses geisterhafte Stück vorgesehen, acht Akteure standen der Werderaner Comedie Soleil zur Verfügung, um es als flockiges Sommertheater im Park zu Petzow, nah dem Waschhaus, aufzuführen. Die neue Regiearbeit von Soleil-Chef, Bühnenmusiker und Schauspieler Michael Klemm nun zeigt, was ein kleiner Trupp im Geist von gut zwei Dutzend abendfüllend leisten kann – und sollte. Premiere war am Freitag, vor dem Sturm. Ein paar stilisierte Kulissen von Jens-Uwe Behrend, sowohl den „Wald“ als auch den kaum gebrauchten Palast von Theseus darstellend, geben den Hintergrund für das Open-Air-Spektakel. Der Text ist notwendigerweise gekürzt, gespielt wird in historischen Kostümen, und zwar so, dass man Figuren, aber nicht unbedingt Charaktere braucht – was Christian Hiemer als Puck (Typ-Rolle) kaum daran hindert, einen solchen mit Bravour zu geben. Er ist nicht nur Mittler zwischen Oben und Unten, auch sonst stiftet er nach dem Spruch „Troll macht alle Weibchen toll“ überall Verwirrung!

Das magisch-wirre Geschehen in Athens Nahwald darf als bekannt vorausgesetzt werden: Oberon (Tuncay Gary) macht Titania (Michaela Wrona) durch Zauber in einen Esel verliebt, ein „umgedrehter“ Lysander (Horst Wüst) betet pötzlich Helena (Nadja Winter) statt seiner Hermia (Karoline Hugler) an, und dann ist da natürlich noch die weitgehend geglückte (weil ernstgenommene) Handwerkerszene, in der Roman Gegenbauer auch als Flaut mal wieder mehr überzeichnet anstatt zu spielen. Die Welt kommt hier – Oben wie Unten – erst in die Balance, als der noch von keinem Theater erkannte Anstoß, jenes „indische Fürstenkind“, wieder in Oberons Händen ist.

Nun dürfen die Richtigen heiraten: Lysander und Hermia, Helena und Demetrius (Michael Klemm), Theseus und Hippolyta. Dies bleibt dem Zuschauer allerdings verborgen, Klemms Inszierung endet bereits mit der Handwerkerszene nach mehr als zwei Stunden. Zu früh!

Sind auch wichtige Motivreihen, etwa in der Stück-Exposition, thematisch nicht zu Ende geführt und ist der Grad an Klarheit auch größer als alle Verwirrnis, brauchte das Spiel auch mehr Tempo und Konzentration, so ist dieser „Sommernachtstraum“ am Haussee trotzdem gutes Sommertheater – nicht nur wegen Trolls Dollheiten an den armen Weibchen. Zu wenig Luft bleibt freilich für die Poesie. Weiß man denn nicht, dass sie vom Himmel kommt und gegeben wird? Also – mehr Himmel über dem See!

Die nächsten Vorstellungen finden am 6. - 8. und 13. - 15. Juli, jeweils 20 Uhr, statt. Besucher sollten wegen der Umleitung auf der B1 über Glindow mehr Zeit einplanen.

Gerold Paul

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