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KulTOUR: Wintergeschichten am Kachelofen

Im Caputher „Café Barock“ liest Sigrid Varduhn Geschichten von Schneekugeln und Eistänzern

Schwielowsee - „Wenn es draußen stürmt und schneit, ist der Winter nicht so weit“, heißt es in einem alten Volkslied. Nun, da draußen stürmt es derzeit zwar, und auch der Winter ist da, aber wo bleibt der Schnee? Den konnte man gefühlt am Samstag im „Café Barock“ bekommen, linkerhand gleich neben dem Eingang zum Schloss Caputh gelegen.

Hier ist nicht nur die Heimstatt ungezählter Kaffeekannen, in diesem historischen Gemäuer haben sommers und winters auch etliche Literaten, Künstler und Gaukler überhaupt, einen guten Auftritt gehabt. So auch jetzt, in den Tagen des fehlenden Schnees und der launigen Januarstürme. Der Raum ist klein, doch Platz ist ja bekanntlich in der kleinsten Hütte, dem Kaffeekannen-Dorado, im Tortenparadies, Heimat und Forum für Kunst. Gerade zeigt Horst Stürzebecher hier Aquarelle von Havel und Spree, Arbeiten, die „nach dreißig Jahren Malpause“ entstanden.

Das Hauptstück am Samstag zur Vesperzeit aber war die Lesung von Sigrid Varduhn, Ex-Berlinerin seit 15 Jahren und Betreiberin einer Schreibwerkstatt in Caputh am See. Sie mag die Landschaften innerhalb und außerhalb des Menschen, das wohlgeschriebene und gesetzte Wort, die Poesie.

Im schnuckeligen „Café Barock“ las die diplomierte Kommunikationswirtin erst kürzlich eigene Geschichten vom und zum Advent, nur teils veröffentlicht. Im Februar schon sollen am gleichen Ort neue zum Thema „Tea-Time“ folgen, die sind dann nicht an eine konkrete Jahreszeit gebunden, und unabhängig von der Wetter-Erosion.

Weil nun aber Schneezeit ist, und sein soll, hörte ein überwiegend älteres Publikum am Wochenende vier „Wintergeschichten am Kachelofen“ aus ihrer Produktion, wundersame und höchst friedfertige Gebilde, die viel mit ihr und der Landschaft um sie herum zu tun haben.

Vor allem zeigen sie eine alte, richtig heile Welt, wie naive Maler sie gern darstellen. Angesichts des allgemeinen Werte-Umbaus derzeit ein wahres Labsal! So zum Beispiel in der Mär vom „Schneefieber“, wo ein allgemeiner Modellierwettbewerb auszufallen droht, weil kein Schnee fällt. Das führt anfangs zu einem ganz gemeinen Schnee-Klau, dann zu einer nie gekannten Solidarität unter den Lehmanns, Schröders und Fiebigs. Und jetzt erst rieselt’s Flocken hernieder, wie märchenhaft!

Oder die herzwarme Geschichte von der „Schneekugel“, die Jakob zu Sylvester geschenkt bekommt. Schüttelt man sie, so schneit es immer. Sie ermöglicht es ihm, für eine Stunde das kleine Dorf in der Kugel zu besuchen. Maja hingegen war ein richtiger Faulstrick, bevor sie die Strickwut packte. Sie arbeitet an einem Superschal, der alle Geschichten der Stadt enthält und diese zuletzt vorm Kältetod rettet.

Nicht zuletzt will eine leicht ergraute Dame auf einem tief gefrorenem See mal wieder Schlittschuhlaufen. Ein wildfremder Mann lädt sie ein, auf dem Eis mit ihm Tango zu tanzen, was seit 25 Jahren nicht mehr geschah. Kein Hauch von Affäre, alles geht rein und gut vor sich, wie man das heutzutage schon fast nicht mehr kennt. Toll.

Schnee in Geschichten also, wo er draußen fehlt, lautere Märchen gegen den allgemeinen Sittenverfall, so einen Nachmittag mit Punsch und Holundertee im Reich der Kaffeekannen lässt man sich gefallen. Gedruckt sind fast alle Geschichten noch nicht. Wer will, kann sie als Reprise am Letzten des Jänner erleben, früher auch Hartung oder Schneemond genannt. Vielleicht stürmt und schneit es dann endlich so richtig eiskalt. Gerold Paul

Gelesen wird wieder am 31. Januar um 17 Uhr, die Ausstellung ist bis Ende März zu sehen

Gerold Pau

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