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Mehr Hochsitz-Kombi als SUV: Der 4,51 Meter lange Austral bietet viel Platz für die ganze Familie. 

© Rainer Ruthe

Renault Austral E-Tech Full Hybrid 200: Viel mehr als nur ein neuer Name

Austral heißt der Nachfolger des Kadjar: Optisch und technisch erweist sich der SUV als grundlegend verändertes Auto - mit so mancher Überraschung.

Es lief schon besser für Renault in Deutschland. Während Tochter Dacia in den letzten Jahren stetig zulegte, ließ die Muttermarke Federn. Eines der Probleme: Der Kadjar, Renaults SUV im C-Segment, wurde 2022 lediglich 2596 Mal verkauft. Zum Vergleich: Der Dacia Duster verkaufte sich mehr als 16.000 Mal. Nun also Austral: und der neue SUV macht vieles anders und vieles auch besser.

Erste Überraschung: Renault verzichtet auf einen Dieselmotor, setzt stattdessen auf einen aufwändigen Vollhybrid-Antrieb, der den Selbstzünder durchaus vergessen machen könnte. Damit wäre er das optimale Auto für all jene, die in dieser ungewissen Zeit eines angeordneten, aber nicht gekonnt gemachten Umstiegs in die Elektromobilität sein. Ohne Reichweitenangst, ohne lästige Suche nach einer intakten Ladesäule und ohne die Ungewissheit, wie teuer das Laden gerade werden könnte. Anders als an der „richtigen Tanke“, kennt man den Preis ja dort vorher nicht.

Benziner mit zwei E-Motoren

Bei der Vollhybridvariante E-Tech Full Hybrid 200 sind neben dem 1,2-Liter-Turbobenziner mit drei Zylindern und 131 PS zwei Elektromotoren mit zusammen 68 PS an Bord, die sich am Antrieb beteiligen. Sie bedienen aus einer 1,7-kWh-Batterie. Gemeinsam kommt das Trio auf 200 PS. Renault gibt den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 mit 8,4 Sekunden an, die Spitze beträgt 174 km/h. Was will man mehr?

Die neue Front des 1,83 Meter breiten Austral wirkt wuchtig und selbstbewusst.
Die neue Front des 1,83 Meter breiten Austral wirkt wuchtig und selbstbewusst.

© Rainer Ruthe

Wie bei einem Vollhybrid üblich, wird die Batterie über den Verbrenner und per Rekuperation beim Bremsen aufgeladen. Im Gegensatz zu einem Plug-in-Hybrid hat er keinen Stecker. Er lädt sich selbst wieder auf. Laut Renault reichen drei kräftige Bremsungen aus, um den Akku bis zu 80 Prozent zu befüllen. Völlig leer fahren kann man diese Batterie übrigens nicht. Im Stadtverkehr soll der Austral zu gut 80 Prozent elektrisch unterwegs und somit 40 Prozent sparsamer sein als ein klassischer Verbrenner.

Die komplexe Antriebssteuerung funktioniert in der Praxis richtig gut. Je nach Energiebedarf, Leistungsabgabe, Ladestand des Akkus und aktiviertem Fahrprogramm ermöglicht das Renault-System den Betrieb im vollelektrischen Modus (maximal nur zwei Kilometer) sowie im seriellen Hybridmodus (Motor treibt nur Generator zur Batterieladung an) oder parallelen Modus (E-Motor unterstützt auch Antriebsstrang). Unabhängig vom Fahrprogramm startet der Austral-Hybrid immer im Elektromodus.

Verbrauch: 4,5 Liter

Am wenigsten verbraucht das große Auto, wenn man gemütlich mit Tempo 100 auf der Landstraße unterwegs ist. Dann steht eine fünf oder auch mal kurz eine vier vorm Komma. In der Stadt ist er noch sparsamer: Nur 4,5 Liter pro 100 Kilometer! Auf der Autobahn waren es bei flotterer Fahrt 7,5 Liter Super pro 100 Kilometer. Insgesamt verbrauchte der Austral auf unseren insgesamt 1.650 Testkilometern im Schnitt 5,6 Liter Super E10 auf 100 Kilometer. Für einen stattlichen 1,5-Tonner ist das aller Ehren wert.

Weitere Überraschung: Als zweiter Renault nach dem Megane E-Tech kommt der Austral mit dem neuem, Android-Automotive-basiertem Infotainmentsystem. Wie beim vollelektrischen Megane wird das Austral-Cockpit von einem monumentalen L-förmigen Bildschirm beherrscht. Hinter der hochwertigen Glasoberfläche verschmelzen ein 12-Zoll-Querformat-Display und ein 12-Zoll-Hochformat-Touchscreen. Da bietet mancher   Premiumwagen weit weniger an Qualität. Das leuchtstarke 9,3-Zoll-Head-up-Display kann neben Geschwindigkeit und Navigationspfeilen auch Warnhinweise in die Frontscheibe spiegeln.

Infotainment kommt von Google

Dass Renault im Multimedia-Bereich an der Konkurrenz vorbeizieht, liegt vor allem am neuen Ansatz für die Software: Statt sich mit eigenen, geschlossenen IT-Systemen abzumühen, haben sich die Franzosen dem Tech-Riesen geöffnet. Das Infotainment-System heißt „OpenR link“ und basiert auf „Android Automotive OS“. Entwickelt wurde es in Zusammenarbeit mit Google. So hat Google Maps im Alltag viele Vorteile: Nicht nur Straßen, sondern auch Lokale, Shops und andere Sonderziele findet das System im Nu. Bei Tankstellen werden sogar die aktuellen Kraftstoffpreise und der Weg dorthin blitzartig angezeigt. Sofort werden neue Verkehrsinformationen in der Routenführung berücksichtigt, und die Hinweise sind unschlagbar genau. Über Google Play können viele gängige Apps von Drittanbietern direkt in das System eingebunden werden. Bedienen lässt sich „OpenR link“ ähnlich intuitiv wie ein Smartphone. Das System arbeitet sensationell schnell. Etwas Besseres habe ich in letzter Zeit nicht kennengelernt.

Sicht nach hinten nicht ganz optimal: Angesichts der schießschartenartigen Heckscheibe freut man sich noch mehr über die serienmäßige Rückfahrkamera.
Sicht nach hinten nicht ganz optimal: Angesichts der schießschartenartigen Heckscheibe freut man sich noch mehr über die serienmäßige Rückfahrkamera.

© Rainer Ruthe

Trotz des digitalisierten Cockpits werden wichtige Bereiche wie Klimatisierung und Audio weiterhin über Schalter in der Mittelkonsole und am Lenkrad organisiert. In der Mitte befinden sich griffgünstige Kippschalter für die Zwei-Zonen-Klimaanlage. Am Lenkrad herrscht rechts allerdings ein dreifacher Hebelterror: Zur Wischerbedienung in der Mitte gesellen sich der neue, Mercedes-artige schmale Wählstockganz oben und der Renault-typische Radiobediensatellit ganz unten.

Mehr Hochsitz-Kombi als SUV

Der 4,51 Meter lange Austral (fünf Zentimeter länger als der VW Tiguan) baut auf der jüngsten Generation der Renault-Nissan-Mitsubishi-Plattform CMF-CD auf. Die anderen Maße 1,62 Meter Höhe und 1,83 Meter Breite, weisen auf eine besondere Auslegung hin. Die neue Front wirkt wuchtig – und selbstbewusst. Beim Astral geht Renault nämlich neue Wege, und deshalb fällt der Austral auf. Er ist mehr Hochsitz-Kombi denn Geländewagen. Ein wohltuender Fixpunkt im allgemeinen SUV-Einerlei. Und gerade wegen dieser Auslegung ist er für Alltag, Familie oder längere Reisen bestens gerüstet. Geräumig und variabel. Im Fond bietet er als Familienwagen auch für sehr groß gewachsene Passagiere jede Menge Platz. Vor allem dann, wenn die um 16 Zentimeter längsverschiebbare Rückbank in der hintersten Position steht. Auch die Neigung der Rücksitzlehne ist einstellbar. Je nach Stellung bietet der Austral 430 bis 500 Liter Laderaum, 1.455 Liter sind es mit umgeklappter Rückbank. Dass dabei eine unschöne Stufe entsteht, ist hier der einzige Kritikpunkt.

Bei der Karosserie haben die Designer aber nicht nur auf dynamische Linien geachtet, sondern auch auf praktischen Nutzen. So sind die A-Säulen schmal geschnitten, was der Übersichtlichkeit zugutekommt. Das Auto wirkt wie aus einem Guss. Dagegen erscheint selbst der facegeliftete VW Tiguan wie ein pummeliger SUV-Vertreter auf einer anderen Zeit.

Am Heck des Franzosen sieht es leider nicht so gut aus. Und zwar wegen der schießschartenartigen Heckscheibe, die auch noch durch die nicht völlig versenkbaren Fond-Kopfstützen teilweise verdeckt wird. Da freut man sich gleich noch mehr über die serienmäßige Rückfahrkamera.

Hochglanzschwarz ist das neue Chrom

Renault hat den auf möglichst viel Raum ausgelegten Kompakt-SUV nicht nur außen so sportlich gestylt, wie man es in diesem Segment nicht alle Tage zu sehen bekommt. Motto: Hochglanzschwarz ist das neue Chrom. BMW und Porsche machen es übrigens ebenso. Auch innen ist ein neuer Stil eingezogen. Im Testwagen mit der erstmals bei Renault eingeführten neuen Top-Ausstattungslinie „Esprit Alpine“ beweisen die Design-orientierten Franzosen, dass sie auch edel können. Ähnlich wie der Instrumententräger sind die Türverkleidungen vorne und hinten im oberen Bereich weich unterschäumt. Sie verfügen außerdem ringsum über das gleiche Dekor. Die Alcantara-Bezüge gehen dezent von Schwarz in Hellgrau über und sorgen zusammen mit dem feinkörnigen Kunstleder für einen eleganten Touch. Blaue und teilweise blau-weiß-rote Ziernähte, und sogar eingestickte Alpine-Logos verzieren den hochwertigen Stoff. Man fühlt sich wie in einem Audi. Respekt Renault. Fahrer und Beifahrer legen die Arme auf eine breite, lederbezogene Mittelkonsole, die Hand des Piloten ruht auf einer verschiebbaren, ebenfalls hochwertigen Auflagefläche, die wie ein Schubhebel im Flugzeug-Cockpit aussieht. Cool gemacht!

Serienmäßiger Bestandteil dieser neuen Ausstattungslinie ist die Allradlenkung 4CONTROL Advanced inklusive einer Mehrlenker-Hinterachse, die Handling, Komfort und Stabilität verbessert. Der maximale Lenkeinschlag an den Hinterrädern beträgt nun fünf Grad gegenüber 3,5 Grad bei der Vorgängergeneration. Damit erzielt der 4,51 Meter lange Austral einen Wendekreis von lediglich 10,1 Metern – so wie der einen halben Meter kürzere Renault Clio.

32 Assistenzsysteme

Das Fahrwerk ist ausgewogen abgestimmt, mit einem leichten Hang zur Straffheit. Die Lenkung ist angenehm direkt. Allerdings fährt sich der Austral auf hoppeligem Geläuf bei niedrigerem Tempo wegen der serienmäßigen 20-Zöller etwas steifbeinig. Auf der Landstraße wie auf der Autobahn bereitet er mit seinem bemerkenswerten Gesamtkomfort richtig Freude. Auch die Bremse gefällt mit ihrem klaren Druckpunkt, ebenso wie die ausreichend direkte Lenkung, die weniger leichtgängig agiert, als wir das von manch anderem Franzosen gewohnt sind.

Das Cockpit wird von einem monumentalen L-förmigen Bildschirm beherrscht – und ansonsten beweisen die Designer, dass sie auch edel können. 
Das Cockpit wird von einem monumentalen L-förmigen Bildschirm beherrscht – und ansonsten beweisen die Designer, dass sie auch edel können. 

© Rainer Ruthe

Insgesamt 32 Assistenzsysteme sind an Bord wie zum Beispiel eine teilautonome Fahrhilfe, die jetzt auch Kreisverkehre erkennt und davor die Geschwindigkeit anpasst. Gut: Assistenzsysteme wie der zuweilen nervig übereifrige Spurhalteassistent lassen sich – das ist inzwischen sehr wichtig – unkompliziert ausschalten. Musikfreunde sollten die 950 Euro Aufpreis einplanen für das zwölf Zoll große openR link mit Navigation und Google Services sowie für das Soundsystem von Harman Kardon mit 485 Watt Leistung, Subwoofer, vier Lautsprechern und zwei speziellen Medium Surround Lautsprechern. Das liefert Konzertklang pur.

Cleveres Familien-Auto der anderen Art

Und der Preis? Da muss man erstmal schlucken. 49.240 Euro können schon erschrecken…. Da ist dann aber auch schon nahezu alles drin. Wer eine niedrigere Ausstattungs-Linie wählt, bekommt den E-Tech ab 40.950 Euro, kann dann noch viele, fair kalkulierte Einzelextras reinpacken. Und wer sich mit dem 140 PS starken handgeschalteten Mildhybrid-Benziner zufriedengibt, darf schon ab 31.450 Euro einsteigen. Zum Vergleich: Ein 130 PS starker handgeschalteter VW Golf Variant ist schon in der Basisversion Life 795 Euro teurer!

Fazit: Mit fairem Preis-Leistungs-Verhältnis und ordentlichem Platzangebot ist der Austral ein cleveres Familien-Auto der anderen Art. Er überzeugt vor allem mit seiner anders gearteten attraktiven Erscheinung, seinem leisen Antrieb, mit überraschend guter Handlichkeit – und vor allem dem der Konkurrenz überlegenen Multimedia-System sowie mit der attraktiven neuen Alpine-Einrichtung. Kurz: Der Austral wird seinen glücklosen Vorgänger Kadjar – nicht nur zur Freude von Renault – schnell vergessen machen. Das ist gut so, denn auch die Kunden wird die neue Qualität überraschen und erfreuen.

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