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Der Abschied naht. Michael Ballack spielt am 5. Juni noch einmal auf großer Fußballbühne vor.

© dpa

Abschiedsspiel von Michael Ballack: Bedingt versöhnlicher Capitano

Michael Ballack kündigt sein Abschiedsspiel für den 5. Juni in Leipzig an – und lädt sogar Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm ein.

Spielt Philipp Lahm eigentlich auch mit? Falsche Frage, findet Michael Ballack. Ob Lahm, Kapitän des FC Bayern München und, jetzt wird’s heikel, der deutschen Nationalmannschaft, zu Ballacks Abschiedsspiel am 5. Juni nach Leipzig reisen wird, „das muss er schon selbst entscheiden. Aber eine Einladung bekommt er“ und Joachim Löw natürlich auch, „trotz des nicht ganz so optimalen Endes“. Ballack lacht, das Publikum lacht und auch der Kameramann vom Mitteldeutschen Rundfunk lacht, er hat bis vor ein paar Minuten live übertragen aus der Lounge des Leipziger Stadions. Der Heimatsender weiß, was sich gehört zum Abschied des bekanntesten Sachsen seit … ja seit wem eigentlich?

Michael Ballack ist 36 Jahre alt und seit einem knappen Jahr Privatier, aber er wirkt an diesem Donnerstag in Leipzig so fit und vital und dominant wie früher als Dirigent auf dem Platz. Demnächst will er die Ausbildung zum Fußballlehrer angehen, „vielleicht wird das mal was für mich“. Zu alten Rumpelzeiten war er für die deutschen Fußballfans so etwas wie ein Alibi, eine Hoffnung auf eine Zukunft jenseits der Grätschen- und Knüppelkultur. In seiner besten Zeit genoss er als einziger deutscher Profi Weltruf, erst als Anführer beim FC Bayern und später auch als geschätzte Führungskraft beim FC Chelsea. Jetzt mag er nicht mehr auf professionellem Niveau Fußball spielen, weil es nicht mehr reicht für die ganz großen Ansprüche. Nach zwei bescheidenen Jahren in Leverkusen fuhr Ballack nach Hause zurück und kam nicht mehr auf den Fußballplatz zurück. Es war ein stiller, ein „Abschied im Kleingedruckten“ („Süddeutsche Zeitung“).

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da hatte der Nationalspieler Michael Ballack den Nationalspieler Philipp Lahm und den Bundestrainer Joachim Löw in dicken Überschriftenbalken als zentrale Figuren einer Verschwörung ausgemacht. Das war nach der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika, bei der Ballack nach einem schmerzhaften Zusammenprall mit Kevin-Prince Boateng nicht mitspielen konnte. Löw machte also Lahm zum Kapitän, was dieser auch im Falle einer Rückkehr seines Vorgängers bleiben wollte. Ballack empfand das wohl nicht zu Unrecht als Anfang eines nicht ganz so optimalen Endes.

Ein paar Monate lang redeten die drei nur über Zeitungen miteinander, es ging dabei viel um Anstand und Respekt oder den Mangel an beidem. Dass Ballack die beiden nun zu seinem Abschied einlädt, wirkt nur bedingt wie der Beginn einer Versöhnung. Ballack sagt, dass so ziemlich alle ehemaligen Mitspieler und Trainer eingeladen sind, „auch wenn sie in Chemnitz nur mal für zwei Spiele in der Jugend ausgeholfen haben“. Wahrscheinlich hätte Ballack sogar Boateng ein Ticket geschickt, wenn die beiden mal gemeinsam gegen den Ball getreten hätten. Aber Boateng hat eben nur gegen Ballacks Knöchel getreten und bleibt deshalb zu Hause.
Als erster hat José Mourinho seine Zusage für die Abschiedsgala gegeben – höchst öffentlichkeitswirksam während eines Fernsehinterviews nach dem Champions-League-Spiel mit Real Madrid am Mittwoch in Manchester. Auch Bastian Schweinsteiger wird kommen, dazu Andrej Schewtschenko, von dem Ballack noch nicht so recht weiß, in welcher Mannschaft er denn spielen soll. In der Weltauswahl? Oder bei Ballack and Friends? Er selbst wird wohl bei beiden mitspielen, das hängt von der Fitness ab“.
Das Abschiedsspiel steht unter dem Motto „Ciao Capitano!“ Kleine Anspielung auf den von Jürgen Klinsmann verliehenen Kampfnamen, nette Erinnerung an Leipzig. Im November 2004 durfte Ballack mit der Binde am Arm und der Nationalelf im Gefolge den Neubau in der Ruine des alten Zentralstadions einweihen. 3:0 gegen Kamerun, Ballack schoss sogar ein Tor, aber der Schiedsrichter hatte kein Gespür für die historischen Zusammenhänge und pfiff ab. 54<EN>000 Zuschauer brüllten sich die Kehle aus dem Hals, der frisch ernannte Capitano schwärmte von einer „sensationellen Atmosphäre“.

Knapp zehn Jahre später dämmert das Stadion in der sportlichen Bedeutungslosigkeit vor sich hin. Der von einem österreichischen Brausefabrikanten gesponserte Klub RB Leipzig müht sich seit ein paar Jahren um den Aufstieg in die Dritte Liga. Ballack spricht höflich von dem „riesigen Potenzial“ und dem fachkundigen Publikum“. Letzte Frage. Der Mann vom Leipziger Radio will wissen, ob er denn am Tag vor der Abschiedsparty nicht vielleicht beim Firmenlauf mitmachen wolle, „sind nur fünf Kilometer…“ Nee, nee, Ballack lacht noch mal, „das hätte ich schon früher als Profi nicht geschafft, und ich muss doch am nächsten Tag spielen“.

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