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Sport: „Afrika hält zusammen“

Südafrikas Starreporter Niren Tolsi über das drohende Aus des Gastgebers, die Fankultur bei der Weltmeisterschaft und die strengen Regeln der Fifa

Niren Tolsi, nach dem 0:3 gegen Uruguay stehen die Bafana Bafana vor dem Aus. Was bedeutet es für das Turnier?

Wer sagt denn, dass wir ausscheiden? Nach dem Spiel habe ich mit vielen Leuten gesprochen und nach den Momenten der Depression kam unser südafrikanischer Optimismus zurück. Die Menschen haben die Bereitschaft, nicht nur 12., sondern auch der 13. Mann des Teams zu sein. Wir müssen jetzt nur Frankreich schlagen.

Und wenn die Mannschaft doch ausscheidet?

Natürlich hätte es einen Einfluss auf die Stimmung im Land – und die Wahrnehmung des Fußballs. Aber die Fans haben eine Reihe von anderen Teams, die sie dann unterstützen: Brasilien, Portugal, die afrikanischen Mannschaften.

Der Kontinent hält also zusammen.

Das Spiel Ghana gegen Serbien war für mich höchst bemerkenswert. Denn ich hätte nie gedacht, dass die Stimmung so eindeutig aufseiten von Ghana sein würde. Ich verstehe es als Zeichen, dass die Länder Afrikas allmählich erkennen, wie viele Gemeinsamkeiten sie haben.

Ein Thema dieser WM ist das dauerhafte Dröhnen der Vuvuzela.

Die Wirkung des Instruments beruhte bislang auf dem Effekt, dass Fans rhythmisch und harmonisch miteinander kommunizieren. Beispielsweise gibt eine Gruppe ein kurzes „Ba“ vor und die andere antwortet mit einem groovigen „Baa- Baba-Baaa“. Dieser Effekt ist bei der WM leider ein wenig verloren gegangen.

Inwiefern?

Beim Eröffnungsspiel in Soccer City hatte ich den Eindruck, dass es vielen nur darum ging, mit der Vuvuzela Lärm zu erzeugen. So lange sich das Match im Mittelfeld abspielte, erzeugten die Zuschauer nichts Musikalisches, sondern nur ein lärmendes Grundrauschen.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Die WM hat dafür gesorgt, dass die Mittelklasse angefangen hat, sich für Fußball zu interessieren. Schauen Sie in die Stadien: Sehr viele Fans der Bafana Bafana sind weiß, aber das entspricht nicht dem Zuschauerquerschnitt bei Ligaspielen. Zu den regionalen Spielen in Johannesburg kommen sonst kaum Weiße.

Wie empfinden Sie denn das Dauerdröhnen?

Ich finde es schade, dass man bei dem Lärm gar nichts von den Gesängen der europäischen und südamerikanischen Fans hört. Das betrifft auch uns Südafrikaner, denn wir sind eine sehr musikalische Nation, wir tanzen und singen gerne. Wenn man dies aber aufgrund des dauernden Dröhnens aber gar nicht mitbekommt, geht ein wichtiger Teil der Fankultur verloren.

Das liegt nicht nur an den Tröten. Die WM-Stadien sind durch Polizei und Sicherheitsdienste hermetisch abgeriegelt.

Ich fühle mich derzeit wirklich unwohl, wenn ich zu den Stadien gehe. Es ist, als würden wir in einem repressiven Polizeistaat leben. Dahinter steckt letztlich eine positive Intention, denn kein Südafrikaner würde behaupten, dass Sie nachts in jedem Winkel des Landes sicher sind. Ein bisschen mehr Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Gesellschaft hätte es aber auch getan.

Was macht trotz der strengen Organisationsregeln diese WM zu einer südafrikanischen?

Wer ausschließlich bei den Spielen ist, wird sehr wenig entdecken. Stadien sind Fifa-Territorium, dort ist kaum etwas wirklich südafrikanisch. Wer aber genau hinsieht, der bekommt mit, wie glücklich die Südafrikaner sind, dieses Ereignis hier zu haben. Wenn Sie im Land unterwegs sind, wird Ihnen mit Sicherheit auffallen, wie herzlich Sie empfangen werden.

Ist Gastfreundschaft das Markenzeichen dieser WM?

Bestimmt. Aber Sie müssen wissen, dass diese Nation jahrzehntelang von der Welt isoliert war. Deshalb begreifen wir die WM auch als Möglichkeit, endlich von der Welt als Nation respektiert zu werden. Durch die festen Vorgaben erkennt die Welt, dass wir gar nicht so anders sind als ihr. Die WM macht uns zu Weltbürgern.

Das Gespräch führte Tim Jürgens.

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