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In der Schwebe. Ob Cristiano Ronaldo am Wochenende mit Real Madrid antritt, ist offen. Die Spielergewerkschaft will die ersten beiden Spieltage bestreiken. Foto: AFP

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Sport: Alle Bälle stehen still

In Spanien droht der Saisonstart auszufallen, weil die Profi-Fußballer streiken

Berlin - Javi Poves hatte es schon länger geahnt. „Fußball ist in Wirklichkeit eine Metapher für unsere derzeitige Welt. Alles beruht auf einer großen Täuschung“, klagte der Spanier und zog Konsequenzen: Nach nur einem Erstligaspiel beendete der Verteidiger von Sporting Gijon mit 24 Jahren seine Karriere.

Der selbst ernannte Kapitalismuskritiker, der nach eigener Aussage Werke von Karl Marx bis Adolf Hitler liest, holte anlässlich seines Karriereendes zum Rundumschlag aus: „Es ist frustrierend, dass kaum ein Fußballer mal ein Buch zur Hand nimmt“, kritisierte er seine Kollegen. Und wetterte gegen die Sportart generell: „Fußball soll nur die Menschen von der Realität ablenken.“

Spaniens Profifußball scheint jedoch derzeit zu versuchen, Javi Poves Lügen zu strafen. Denn die Kicker der ersten und zweiten Liga haben zwar kein Buch, dafür aber die Forderungen der Spielergewerkschaft AFE zur Hand genommen und gelesen. Sie drohen derzeit mit Streik und dem Ausfall der ersten beiden Spieltage. Und durch seinen Streik verweist der spanische Fußball so stark auf die wirtschaftliche Realität des krisengeplagten Landes wie selten zuvor.

Dabei werde gar nicht – wie sonst bei Arbeitskämpfen im Profisport – um Gehaltserhöhungen oder -kürzungen gestritten, betonen zumindest die Spieler. „Uns Fußballern geht es nicht darum, mehr Geld zu bekommen“, betonte Gewerkschaftspräsident Präsident Luis Rubiales. „Wir verlangen nur, dass die Verträge eingehalten werden.“ Zur moralischen Unterstützung seines Streikaufrufes hatten sich 100 grimmig dreinschauende Fußball-Prominente wie Iker Casillas oder Carlos Puyol am Donnerstag in einem Hotel in Madrid versammelt. „So wie die Dinge jetzt stehen, werden wir wohl nicht antreten“, sagte Nationalmannschaftskapitän Casillas über den ersten Spieltag am kommenden Wochenende. Auch die spanische Trainervereinigung erklärte ihre „bedingungslose“ Unterstützung für eine „mehr als gerechte und angemessene Forderung“.

Was fordern die Spielern genau? Sie wollen bezahlt werden, vollständig und pünktlich. Das war zuletzt nicht der Fall, die Vereine sollen 200 Spielern noch 50 Millionen Euro an ausstehenden Gehältern schulden. Bestes Beispiel für die Gehaltspolitik vieler Vereine ist der Erstliga-Aufsteiger Rayo Vallecano. „Bei uns mussten einige Spieler ihre Autos verkaufen, um über die Runden zu kommen. Andere haben kein Geld fürs Benzin“, klagte dort Stürmer David Aganzo. Der Klub musste ebenso Konkurs anmelden wie in jüngerer Vergangenheit die Erstligisten Betis Sevilla, Saragossa, Malaga, Levante, San Sebastian, Gijon und Mallorca. Mit der Insolvenz wird ein Klub die Hälfte seiner Schulden los, die Spieler verlieren somit die Hälfte ihrer Gehaltsansprüche. Es besteht zwar Einigkeit über einen Garantiefonds, aus dem ausgefallene Gehälter bezahlt werden. Doch als die Klubs den Fonds nur mit zehn Millionen Euro füllen wollten, tobte die Gewerkschaft. Die Streikenden fordern einen Tarifvertrag wie in Deutschland und England.

Dass sich Star-Fußballer wie Casillas oder Puyol nicht nur heldenhaft für weniger wohlhabende Kollegen bei kleineren Klubs einsetzen, zeigen die übrigen Forderungen: Nationalmannschaftsreisen sollen vom Verein künftig nicht mehr als Urlaubs-, sondern als Arbeitstage vergütet werden. Zudem wollen die Spieler ihre Bildrechte zurück, an denen bisher die Klubs verdienen und damit die teilweise enormen Gehälter bezahlen. Den meisten Vereinen fehlt ohnehin längst die Einnahmen, die Krise ist längst bei ihnen angekommen. Kommunen und Mäzene aus der Wirtschaft können es sich nicht mehr so einfach wie früher leisten, die Misswirtschaft der Klubs und den Gehaltshunger der Spieler zu subventionieren.

In der krisengeplagten Bevölkerung herrscht wenig Verständnis für Millionärsstreik. „Alle Klubs, auch Barça und Madrid, geben mehr aus, als sie sich erlauben können“, schreibt ein Blogger der Zeitung „El Mundo Deportivo“. „Wenn die Klubs ihre Schulden beim Finanzamt abbezahlen würden, dann würden die Gehälter der Stars ohnehin sinken. Doch die fordern lieber mehr Geld, als sich mit dem Rest der Spanier zu solidarisieren und den Fußball seine Schulden beim Staat begleichen zu lassen.“ (mit dpa)

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