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Sport: Allein gegen Österreich

In der Heimat wollten sie ihn nicht, darum lief Marc Girardelli für Luxemburg Ski – nun hilft er den Deutschen

Im Grunde ist es eine logische Entwicklung, dass man für ein Team, das im Wesentlichen aus Einzelkämpfern besteht, einen Berater engagiert, der ebenfalls Zeit seiner Karriere als Solist unterwegs war. Das Team ist in diesem Fall die lose Skifahrervereinigung von Florian Eckert, Felix Neureuther, Alois Vogl und Max Rauffer, auch bekannt als Herren-Nationalmannschaft des Deutschen Ski-Verbands (DSV). Für diese Truppe suchte der DSV einen Mentalbetreuer, einen Experten, der von außen kluge Tipps gibt und ihnen gar nicht so sehr die Technik beibringt, sondern die zukünftigen Siege dort entstehen lässt, wo sie angeblich auch tatsächlich beginnen: im Kopf nämlich. Ähnliches hatte auch Fußball-Bundestrainer Jürgen Klinsmann im Sinn, als er Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher als Berater für seine Elf vorschlug.

Und wer wäre als alpiner Mentalbetreuer besser geeignet als Marc Girardelli, quasi der Michael Schumacher des Skirennsports? Fünf Mal hat der mittlerweile 41-jährige Österreicher den Weltcup gewonnen. Ehrgeizig ist er durch und durch, im Grunde introvertiert, aber manchmal auch fürchterlich jähzornig und vor allem: ein echter Einzelkämpfer.

Als Nachwuchsläufer war Girardelli vom österreichischen Skiverband (ÖSV) als „zu schmächtig“ aussortiert worden. Er wollte sich damit aber nicht abfinden und startete fortan für den bis dahin nicht sonderlich erfolgreichen luxemburgischen Skiverband, gemeinsam mit seinem Trainer und Vater Helmut. Die Girardellis trainierten vollkommen autonom, organisierten ohne Verband im Rücken alles von den Trainingseinheiten bis zu den Reisen selbst – und sie waren erfolgreich. Girardelli war in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren nicht nur Weltcupsieger, sondern auch Weltmeister und Olympiazweiter und gewann als einer von ganz wenigen Skifahrern der Neuzeit in allen Disziplinen von Slalom bis Abfahrt. Er war, das musste selbst der ÖSV später zugeben, sowohl technisch als auch mental der vielleicht beste Läufer der vergangenen zwanzig Jahre, Alberto Tomba und Hermann Maier eingeschlossen. Dass der Vorarlberger Girardelli als Wahl-Luxemburger seine österreichischen Landsleute über Jahre düpierte, war vor allem seinem Vater Helmut ein großer Genuss, der einem gelegentlichen Streit mit den ÖSV-Managern nicht abgeneigt war.

Alles Erfahrungen, die für den DSV von großem Nutzen sein könnten. Der Haken dabei: Girardelli wird sich nicht in die Trainingsmethodik des DSV einmischen und nach eigenen Angaben nicht in Konkurrenz zur Trainergilde des Teams stehen, die skurrilerweise ebenfalls zum Großteil Landsleute Girardellis sind. Herren-Chefcoach Werner Magreiter, die Spartentrainer Mathias Berthold und Christian Huber haben ebenfalls einen österreichischen Pass. „Mein Ziel ist es, dass ich psychologischen Rückhalt biete“, so Girardelli. „Die technische Weiterentwicklung läuft nur über die Trainer.“

Was Girardelli beratungstechnisch genau anstellen wird, ist freilich noch offen. Bei den Rennen, wie zuletzt beim Weltcupauftakt in Sölden, will Girardelli nicht anwesend sein. Bislang besuchte er die DSV-Fahrer auch nur zwei Mal bei ihren Lehrgängen am Gletscher in der Vorbereitungsphase. Außerdem, so Girardelli, „geht es nicht nur um die Beratung von Spitzenläufern. Ich werde mich auch intensiv um die 14- bis 18-Jährigen kümmern.“ Soll heißen: Girardelli wird sich darum kümmern, dass der DSV mit Talenten anders umgeht als damals der ÖSV mit ihm. Allerdings wird der deutsche Skiverband ohnehin kaum in die Verlegenheit kommen, einen guten Nachwuchsfahrer abzulehnen. Denn von einem Überangebot junger deutscher Skifahrer kann nicht wirklich die Rede sein.

Markus Huber[Wien]

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