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Hängepartie. Fabian Hambüchen verpasste erstmals seit 2005 einen nationalen Meistertitel in einem Gerätefinale. Foto: dpa

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Sport: Alleine am Boden

Fabian Hambüchen fühlt sich vom Turnerbund betrogen und will sich nun weiter abkapseln.

Mannheim - Dieser Sturz tat doppelt weh. Im Reckfinale wollte Fabian Hambüchen nicht nur gewinnen. Er wollte klar gewinnen, riskierte seine schwierige Olympia-Übung – und scheiterte. „Ich suche keine Ausreden. Auch wenn ich in der Nacht zuvor nicht gut geschlafen habe“, sagte der prominenteste Einzelgänger unter den deutschen Turnern. Nach einer Fehlerkette des Kampfgerichts bei der Boden-Entscheidung hatte er die Nacht über seinen weiteren Auftritt beim Turnfest gegrübelt. Doch unter dem Strich kam er nur zu dem Schluss: „Ich werde meinen Weg noch konsequenter allein gehen. Wenn ich meine Leistung bringe, kann mir im Deutschen Turnerbund niemand diesen Weg verbauen.“

Die Atmosphäre zwischen Hambüchen und Verband scheint noch kühler als die Temperaturen während der regnerischen Turnfesttage in der Rhein-Neckar-Region. Auf eine Aussprache mit den Funktionären legt Hambüchen jedenfalls keinen Wert, auch wenn sich DTB-Präsident Rainer Brechtken vor überfüllter Maimarkthalle noch einmal für die Fehler der Referees entschuldigte, die Hambüchen um den verdienten Titel am Boden gebracht und wütend auf den Verband gemacht hatten. Brechtken begrüßte Hambüchen ausdrücklich im Kreise der Finalisten und zeigte seine Freude, dass der Vorturner seinen zunächst angekündigten Boykott nicht wahr gemacht hatte.

Bei Hambüchen verpuffte diese Geste jedoch. „Ich lasse mich durch solche Sprüche nicht von meinem Kurs abbringen. Wie man mir hier mitgespielt hat, werde ich nie abhaken. Das wird auch der DTB in einigen Nachspielchen noch zu spüren bekommen. Und einige Leute dort sollten sich mal überlegen, ob sie in ihren Positionen dort noch richtig sind“, sagte Hambüchen, nachdem er erstmals seit 2005 einen Gerätetitel bei nationalen Meisterschaften verpasst hatte.

Zunächst hatten die Kampfrichter den Hallenser Matthias Fahrig (15,15) knapp vor Hambüchen gesehen (15,10). Doch Hambüchen legte Protest ein, weil seine eineinhalbfache Schraube vorwärts nur als halbe Schraube bewertet wurde und damit einen Zehntelpunkt zu niedrig eingestuft worden war. Doch dann folgte der zweite, folgenschwere Irrtum der Referees: Sie erkannten den Protest an, obwohl Hambüchen ihn zu spät eingereicht hatte. Hambüchen erhielt den Zehntelpunkt und den Titel. Dagegen legte Fahrig nun Protest ein – und Hambüchen war seinen Titel wieder los. „Ich hätte nie erwartet, dass man mich hier so unfair behandeln würde“, klagte Hambüchen und sein Vater schimpfte: „Das war klassischer Betrug. Ich vermute dahinter eine sportpolitische Entscheidung.“

Am Donnerstag sagte Hambüchen seinen geplanten Reck-Auftritt bei der Stadiongala am Freitag ab. Er gab gesundheitliche Gründe dafür an. Eine Erkältung, die sich bereits am Mittwoch in den Gerätefinals abzeichnete, sei stärker geworden. „Sehr schade, dass ich absagen muss. Ich wäre gerne bei der großen Abschlussshow dabei gewesen“, bedauerte er in einer Mitteilung des Verbandes.

Wie sich jetzt in einigen Monaten die Trainingswochen im Bundesleistungszentrum Kienbaum in der unmittelbaren WM-Vorbereitung im September gestalten werden, steht in den Sternen. Hambüchen legt Priorität auf seinen Prüfungen an der Sporthochschule und will sich daher individuell in Köln vorbereiten. „Die Hoffnung stirbt zuletzt. Nachdem, was hier gelaufen ist, sehe ich nicht ein, warum ich Kompromisse machen soll“, gab er sich dickköpfig. Cheftrainer Andreas Hirsch ist nun gefragt, mit Einfühlungsvermögen die verhärteten Fronten aufzubrechen.

Mit seinen anderen Vorturnern Marcel Nguyen und Matthias Fahrig, die in Mannheim je zwei Titel einsammelten, hat Hirsch weniger Sorgen. Beide sind bei der Bundeswehr und stehen für Trainingskurse nahezu uneingeschränkt zur Verfügung. Nguyen, der am Barren seinen vierten Sieg in Serie verbuchte, will nun im Training eine schwierige Felge einbauen und den Ausgangswert seiner Übung auf mindestens 7,0 Punkte erhöhen. Das wäre derzeit in der Welt einmalig.dpa

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