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Sport: „Allofs versteh’ ich nicht“

Ingo Kahlisch trainiert seit 1989 denselben Verein. Der Rathenower schätzt Treue und den Ostfußball.

Herr Kahlisch, was bedeutet für Sie Vereinstreue?

Ich reduziere meinen Verein nur ungern auf meine Person. Aber ich bin natürlich eine prägende Figur hier bei Optik Rathenow.

Von der Bundesliga bis hinab zur vierten Spielklasse sind Sie ein Unikat. Seit 1989 trainieren Sie ununterbrochen Ihren Klub.

Identifikationsfiguren muss es im Fußball geben, auch in der Regionalliga. Das ist gesellschaftlich wichtig – für das ganze Umfeld, die Fans. Wenn ich sehe, dass Klaus Allofs nach Wolfsburg geht, kann ich das nicht verstehen. Der gehörte nach Bremen, für eine Million mehr muss man das nicht machen.

Als Sie in Rathenow anfingen, hieß der Verein noch BSG Motor. Wie hat sich das Geschäft seit der Wende verändert?

Die Euphorie der Wendezeit ist verflogen. Wer heute aufsteigen will, braucht dazu viel Geld. 1994 haben wir komplett ohne Geld die Regionalliga erreicht.

Damals war das die dritthöchste Spielklasse.

Ja, wir spielten noch gegen den 1. FC Union und Dynamo Dresden. Wie das ging, weiß ich heute selbst nicht mehr. Finanziell können wir heute mit den meisten Klubs nicht mithalten.

Deprimiert Sie das nicht?

Nach dem Abstieg in die Brandenburg- Liga, das war 2005, haben mir meine Freunde und die Unterstützer des Vereins gesagt: Jetzt helfen wir dir erst recht! Seitdem geht es Schritt für Schritt voran.

Wären Sie nicht manchmal gern zu einem Verein gewechselt, der mehr finanzielle Möglichkeiten bietet?

Es gab drei, vier Angebote, aber die waren alle sehr kurzfristig, also bin ich immer geblieben. Optik ist ein großer Bestandteil meines Lebens. Das sind doch auch alles ordentliche Menschen hier in Rathenow.

Wie haben Sie es mit den bescheidenen Mitteln geschafft, die Mannschaft zurück in die vierte Liga zu führen?

Bei uns entscheidet nicht das Geld, sondern das Konzept. Das heißt bei uns: Arbeit, Schule, Fußball. Wir holen Spieler, die in Berlin keiner mehr will, und verschaffen ihnen eine berufliche Ausbildung. Wir entwickeln sie weiter. Der Zusammenhalt ist groß: Das ist eine junge, geile Mannschaft.

Stört es Sie, dass immer mehr Klubs wie Rasenballsport Leipzig von Investoren getragen werden?

Es ist nun mal so: Für die Klubs, die in den Profifußball wollen, geht es nicht ohne finanzielle Hilfe – egal ob durch Sponsoren oder durch Investoren. Ich sehe RB Leipzig daher nicht so negativ wie andere – im Gegenteil, ich war persönlich angenehm überrascht. Als die hier waren, waren sie überhaupt nicht arrogant. Im Osten wurde genug Geld verbrannt, RB macht das cleverer.

Sie sind ein Kenner des Fußballs im Osten. Wann werden wieder mehr Vereine aus der Region in den Profiligen spielen?

Für unsere Vereine wird es schwer, auch weil die Deutsche Fußball-Liga nichts nach unten abgibt. Das regt mich so auf: Profifußball geht nur mit Geld. Ich finde es deshalb auch falsch, dass Chemie und Sachsen Leipzig den Einstieg von Red Bull abgelehnt haben – so hätte man doch die Tradition dieser Klubs retten können.

Gibt es auch strukturelle Probleme des Fußballs oder nur wirtschaftliche?

Die neue Regionalligastruktur ist für mich eine Sauerei: Da muss der Meister sogar zusätzlich Aufstiegsspiele bestreiten. Wer hält das denn über Jahre durch? Wenn wir Pech haben, steigt jahrelang kein Ostklub mehr auf.

In der DDR spielte Rathenow nie ganz oben mit, jetzt treten Sie dafür in derselben Liga wie die einstigen Europapokalsieger vom FC Magdeburg an. Was erträumen Sie sich noch für Ihren Verein?

Ich bin kein Spinner. Für uns ist die Regionalliga die Champions League, mehr geht nicht. Aber absteigen wollen wir natürlich auch nicht.

Interview: Christopher Weckwerth.

Ingo Kahlisch, 56,

trainiert seit 1989 den FSV Optik

Rathenow. Mit seinem Team schaffte er mit kleinen finanziellen Mitteln den Aufstieg

in die viertklassige

Regionalliga.

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