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Sport: „Am besten gegen die Starken“

Christian Schwarzer über die Handball-EM und seinen baldigen Abschied

Herr Schwarzer, sind Sie sehr müde?

Warum sollte ich es sein?

Bundestrainer Heiner Brand hat gesagt, viele Spieler seien derzeit sehr müde. Da fiel auch Ihr Name.

Ich habe doch schon in Hannover beim Duell mit den Russen gezeigt, dass ich nicht mehr müde bin. Ich würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass ich so fit bin wie am Saisonanfang. Wobei nicht die vielen Spiele den großen Stress ausmachen, sondern die vielen Reisen. Mit Lemgo in der Champions League vier Tage in Saporoshje, drei Tage in Spanien – das schlaucht.

Und dann die Länderspiele.

Heiner Brand dosiert die Belastungen. Aber der internationale Terminkalender ist eine Katastrophe. Warum können wie im Fußball Welt- und Europameisterschaften nicht auch nur alle vier Jahre stattfinden? Wir als Spitzenspieler sind da mit internationalen Turnieren, Champions League, Supercup, Bundesliga und DHB-Pokal überfordert.

Auch mit der nun anstehenden Europameisterschaft?

Hoffentlich nicht. Da wollen wir ja nun endlich mal wieder einen Titel nach Deutschland holen.

Nach so manchem Testspiel sieht es nicht gut aus.

Auf solche Ergebnisse gebe ich gar nichts. Früher haben wir bei Gurkenturnieren oft gewonnen und dann bei Welt- und Europameisterschaften versagt. Inzwischen bekommen in diesen Testspielen auch Talente ihre Chance, sodass sie zum Zuge kommen können, wenn – wie bei der letzten Weltmeisterschaft – Stefan Kretzschmar und Volker Zerbe plötzlich verletzt ausfallen.

Diesmal fällt Kretzschmar von Anfang an aus.

Ja, das ist bitter. Aber Stefan hätte sich keinen Gefallen getan, wenn er nur halb fit eingestiegen wäre. Und uns auch nicht.

Bei der Vorrundengruppe mit Frankreich, Serbien-Montenegro und Polen könnte der Ausfall von Kretzschmar fatale Folgen haben.

Das glaube ich nicht. Die ist gut für uns, die so genannte Hammergruppe. Gegen starke Mannschaften haben wir meist unsere besten Leistungen geboten.

Frankreich hat Deutschland zuletzt deklassiert. Ist das der Angstgegner?

Ich glaube, die Franzosen haben genauso Respekt vor uns wie wir vor ihnen. Sie werden sich hoffentlich noch erinnern, dass wir sie im letzten WM-Halbfinale besiegt haben.

Und Polen ist der Außenseiter in dieser Gruppe?

Ich warne davor, die Polen zu unterschätzen. Die haben Spieler in ihren Reihen, die in der Bundesliga bei Spitzenklubs wie Flens - burg-Handewitt, THW Kiel und SC Magde burg Topleistungen bringen.

Nach dem Bosman-Urteil hatte Heiner Brand geklagt, ausländische Spieler würden den deutschen Talenten den Platz wegnehmen. Weil Deutschland bei der letzten EM und WM Zweiter wurde, kann es so schlimm nicht sein.

Mittlerweile hat ja bei den Vereinen, vor allem aus finanziellen Gründen, ein Umdenken stattgefunden. Die Manager haben gemerkt, dass auch mit jungen deutschen Talenten der Erfolg nicht ausbleibt. Mir ist jedenfalls nicht bange um den deutschen Nachwuchs. Ich denke da nur an Pascal Hens, Christian Zeitz und Arne Niemeyer.

Sie sind schon 34. Ist nach den Olympischen Spielen in Athen Schluss?

Beim TBV Lemgo läuft mein Vertrag noch bis 2005. Für die Nationalmannschaft werde ich nach Athen wohl nicht mehr spielen. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn die WM 2005 in Deutschland stattgefunden hätte. Ich habe so viele große Turniere gespielt, aber noch nie in Deutschland. Tunesien 2005 werde ich mir wohl nicht mehr antun.

Was passiert, wenn Ihr Vertrag in Lemgo ausgelaufen ist?

Dann werden wir wahrscheinlich nach Niederwürzbach zurückkehren, wo wir uns ein Haus gebaut haben und unser Sohn eingeschult wird. Vielleicht trainiere ich dann irgendeine Jugendmannschaft. Sicher werde ich mich auch in meinem eigentlichen Beruf als Reiseverkehrskaufmann betätigen, vielleicht mit der Konzentration auf Sportreisen.

Finanziell haben Sie als Handballer sicher noch nicht ausgesorgt.

Nein, wir sind doch keine Spitzenfußballer. Aber ich will nicht klagen. Es gibt viele Sportarten, die sind erheblich schlechter dran als wir. Uns geht es doch sehr, sehr gut.

Das Gespräch führte Klaus Rocca.

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