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Die Tür ist offen. Der 22 Jahre alte Moritz Böhringer wurde als erster Spieler aus Europa direkt von einem NFL-Team verpflichtet.

© Imago/Gehrz

American Football: Moritz Böhringer - der Quereinsteiger

Moritz Böhringer wurde als erster Spieler direkt aus Europa von einem NFL-Team gedraftet. Nun kämpft der Deutsche um einen Platz im Kader der Minnesota Vikings.

Die Bewegung erinnert an einen Hasen, der nichtsahnend über die Wiese hoppelt und plötzlich einen Verfolger bemerkt. Diese Richtungswechsel, einfach unvergleichlich. Zick-zack, zick-zack, zick-zack!

Moritz Böhringer sprintet los und zieht zunächst nach innen, in die Mitte des Spielfeldes, dann bremst er abrupt und, zick-zack, orientiert sich mit rasender Geschwindigkeit zur Seitenauslinie. Allen Verrenkungen zum Trotz will sich sein Gegenspieler keinen Zentimeter abschütteln lassen, also packt Böhringer einen Hechtsprung aus. Wie ein Fußball-Torhüter fliegt er davon, seine Hände bilden eine ideale Landungszone für den Pass, den Böhringer auf spektakuläre Art und Weise fängt. Kreide von der Seitenauslinie wirbelt durch die Luft, und auf dem Trainingsplatz der Minnesota Vikings, quittieren die Fans die Aktion mit lautem Jubel. What a catch! Welch ein Fang.

Moritz Böhringer, 22 Jahre alt, geboren in Stuttgart, hat in den USA mächtig Eindruck hinterlassen mit der Aktion, die sich Anfang August auf dem Trainingsgelände des Klubs aus der National Football League (NFL) ereignete. Mittlerweile haben über eine Million Menschen das Internetvideo mit dem deutschen Hauptdarsteller angeklickt, und das will schon was heißen in einer professionellen Sportart, die für Nicht-Amerikaner kaum oder bestenfalls schwer zugänglich ist. Normalerweise werden junge Europäer ja in etwa so mit American Football sozialisiert wie amerikanische Jungs mit diesem seltsamen Spiel namens Soccer. Moritz Böhringer ist da die große Ausnahme.

Bei der alljährlichen Talentwahl der Profiklubs, dem sogenannten Draft, ist Böhringer vor ein paar Monaten als erster Spieler überhaupt direkt aus Europa in die NFL rekrutiert worden, die Minnesota Vikings zogen ihn mit dem 180. Pick in der sechsten Draftrunde. Normalerweise bedienen sich die Scouts ausschließlich an den großen Colleges des Landes, wo der Sport mindestens semi-professionell betrieben und den Spielern eine entsprechende Grundausbildung gewährt wird. Quereinsteiger von außerhalb, wie im Fall Böhringer aus der German Football League (GFL), gibt es eigentlich so gut wie nie. Auch deshalb war die Geschichte des Deutschen Ende April, an den Tagen vor und nach dem Draft, überall in den USA zu sehen und zu lesen. Es ist eine Aschenputtel-Story, wie Amerikaner sie lieben. Böhringer hat das College, also die Kaderschmiede für die NFL, einfach mal eben übersprungen.

Böhringer hat erst vor fünf Jahren mit dem Sport begonnen

Das Verrückteste am Werdegang des Moritz Böhringer ist allerdings, dass der ehemalige Fußballspieler erst vor fünf Jahren mit dem Sport begonnen hat. Mit 17 Jahren schaut der Aalener bei den Crailsheim Titans vorbei, weil sie in ihrer Heimatstadt nicht genügend Spieler für eine Mannschaft zusammenbekamen. Er spielt ein paar Jahre in der Oberliga, dann wechselt Böhringer zu den Schwäbisch Hall Unicorns. Im Trikot des GFL-Teams macht er sich szeneintern schnell einen Namen, in seiner ersten Profi-Saison erzielt der Wide Receiver (Passempfänger) 13 Touchdowns in 16 Spielen – ein Wert, der sich bis über den großen Teich herumspricht.

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Dank eines Youtube-Videos mit dem Zusammenschnitt seiner besten Szenen erhält Böhringer eine Einladung zum sogenannten „Pro Day“ an der Florida Atlantic University, wo die NFL-Scouts die Kandidaten Jahr für Jahr auf Herz, Nieren und athletische Fähigkeiten checken. Böhringer, 1,93 Meter groß und 100 Kilogramm schwer, macht auch bei diesem Termin Eindruck. Für einen Sprint von 40 Yards benötigt er 4,43 Sekunden, er springt aus dem Stand 99 Zentimeter hoch und 3,33 Meter weit. Obwohl Böhringer nur ein Jahr Spielpraxis in der höchsten deutschen Spielklasse gesammelt hat, wird er von den Scouts mit einer Note von 5,41 bewertet – das entspricht dem Status eines Reservespielers, der es eines Tages zum Stammspieler schaffen kann.

So weit ist Böhringer aber noch lange nicht. Im Moment kämpft der 22-Jährige darum, überhaupt einen festen Kaderplatz für die am 11. September beginnende NFL-Saison zu ergattern. Ob er dann tatsächlich auch spielt, zumindest hin und wieder, steht auf einem anderen Papier - zumal die Konkurrenz riesig ist. Zwei Tage nach dem vorletzten Testspiel der Minnesota Vikings am Sonntag (18.50 Uhr, live bei ProSieben Maxx und im Livestream bei ran.de) muss der Verein seinen Kader zum ersten Mal ausdünnen - von 90 auf 75 Spieler. Am 3. September erfolgt der nächste Cut, wie die US-Amerikaner sagen, von 75 auf 53 Spieler.

Auf Moritz Böhringer warten also spannende Tage. 

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