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American Football: Totgesagte werfen weiter

Amerika fiebert dem Duell der NFL-Underdogs und ihrer Quarterbacks entgegen. Im Play-off-Halbfinale treffen die Arizona Cardinals mit Kurt Warner auf die Philadelphia Eagles mit Donovan McNabb.

Wenn Amerika etwas liebt, dann sind es Geschichten von Underdogs und gefallenen Helden, die wieder aufstehen. Geschichten, die den nationalen Mythos unterstreichen, dass es hier jeder schaffen kann, wenn er nur will. Die aktuelle Saison der American-Football-Liga NFL hat gleich zwei solcher Typen zu bieten, die am Sonntag im Play-off-Halbfinale auch noch aufeinandertreffen. Auf der einen Seite Kurt Warner, der Quarterback der Arizona Cardinals. Auf der anderen Seite, bei den Philadelphia Eagles, steht Donovan McNabb, ebenfalls Quarterback.

In Arizona sollte Warner nur eine Notlösung sein

Der 37 Jahre alte Kurt Warner wurde in seiner zehnjährigen Profikarriere schon zwei Mal totgesagt. Nach seiner College-Laufbahn hatten ihn 1994 die Green Bay Packers zwar zum Trainingslager eingeladen, ihn danach jedoch nicht für erstligareif befunden. Warner musste in der Indoor-Liga „Arena-Football“ tingeln und sein Gehalt als Tütenpacker in einem Supermarkt aufbessern. 1998 bekam er endlich einen Vertrag bei den St. Louis Rams, wurde aber zunächst in die NFL Europe nach Amsterdam ausgeliehen. Erst 1999 erhielt er seine Chance – und nutzte sie auf beeindruckende Art und Weise. Warner führte St. Louis zur Meisterschaft und wurde zwei Mal zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt. Doch nach 2003 spielte Warner konfus bis miserabel, verlor seinen Vertrag in St. Louis und konnte auch bei den New York Giants nicht Fuß fassen. Die Arizona Cardinals holten ihn 2005 als reinen Ersatzmann. „Wir wollten ihn als Notlösung, bis wir unseren Quarterback für die Zukunft gefunden haben“, sagt der damalige Coach Dennis Green. Warner stand ein weiteres Mal auf und fand zu einer Form, die an seine besten Tage erinnerte. „Ich bin schon ein wenig in dieser Liga und habe einige tolle Storys erlebt“, sagt Green. „Aber Kurts Geschichte ist die unglaublichste, die es jemals in der NFL gegeben hat.“
McNabb: "Ich wurde durch Demütigungen wiederbelebt"

Auch der Gegner aus Philadelphia hat eine märchenhafte Saison hinter sich. Im November noch sah es so aus, als würden die Eagles die Play-offs verpassen. Die Schuld wurde dem Quarterback Donovan McNabb gegeben, Trainer Andy Reid setzte den Superstar zum ersten Mal in dessen Laufbahn auf die Bank. „Man hat mich weggeworfen, überfahren und angespuckt“, sagt McNabb. Von Beginn an verband den dunkelhäutigen Spielmacher und Philadelphia eine komplizierte Beziehung. Am Tag seiner Ankunft 1999 wurde McNabb mit Buhrufen begrüßt, weil die Fans an seiner statt lieber den Ballträger Ricky Williams in die Arme geschlossen hätten. In der Folge legten sie riesige Erwartungen auf McNabbs Schultern, denen er noch nicht einmal gerecht werden konnte, als er das Team 2004 in den Super Bowl führte. Die Fans wollten den Titel – McNabb aber konnte die Niederlage gegen das übermächtige New England nicht verhindern. Nach dem schlechten Start in diese Saison sah alles so aus, als würden die Fans der Eagles ihr Lieblingshassobjekt endgültig loswerden. Doch so leicht machte der 32-Jährige es ihnen nicht. McNabb ließ sich von der harschen Kritik nicht beirren, führte das Team zum Comeback der Saison und schaltete sogar den Titelverteidiger und großen Favoriten New York Giants aus. Seine Genugtuung darüber kann McNabb kaum verhehlen: „Ich wurde durch die Demütigungen wiederbelebt und bin wieder aufgestanden.“

Ob nun McNabb oder Warner gewinnen – eines steht vor dem Super Bowl am 1. Februar in Tampa jetzt schon fest: Der Sieger wird im großen Spiel der Lieblingsheld der Amerikaner sein. Denn die Pittsburgh Steelers oder die Baltimore Ravens, die den anderen Finalteilnehmer ausspielen, haben keinen Spieler in ihren Reihen, der annähernd so tief gefallen und wieder aufgestanden ist.

Christian Hönicke, Sebastian Moll[New York]

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