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Sport: Amerika winkt

Wladimir und Witali Klitschko wollen Weltmeister werden – in Deutschland laufen ihre Verträge aus

Oscar-Preisträger Denzel Washington steuerte schnurstracks auf Witali Klitschko zu. „Du bist der Beste. Ich weiß es. Ich habe es gesehen.“ Der Boxer bedankte sich höflich bei dem Filmstar und antwortete: „Vor meinem Kampf gegen Lennox Lewis warst du bei mir im Gym. Und ich habe in deinen Augen gesehen, dass du nicht an mich geglaubt hast. Du hast nicht geglaubt, dass der weiße den schwarzen Mann schlagen kann. Du bist eben ein sehr guter Schauspieler.“ Dann lachten beide und umarmten sich.

Das passierte vor zwei Wochen im Madison Square Garden in New York. Nach seinem K.o.-Sieg über den Kanadier Kirk Johnson vor 11 000 Zuschauern, unter ihnen Donald Trump, Sylvester Stallone und Tom Hanks, herrschte Trubel in der Kabine des Schwergewichtsboxers. Das amerikanische Fernsehen war da, auch das ZDF, Klitschkos Promoter, sein Trainer, ein paar Vertraute. Sogar der Dopingarzt wollte an diesem Abend etwas von Witali Klitschko, dem neuen Helden des Schwergewichts. Bei seinem Bruder Wladimir (27) wird es heute Abend in Kiel überschaubarer zugehen. Das ZDF wird den Kampf gegen den US-Amerikaner Danell Nicholson live (ab 22 Uhr) übertragen, die 12 000 Besucher fassende Ostseehalle ist ausverkauft und Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz erzählt seit Tagen vom „Event des Jahrzehnts in Kiel“. Doch mit dem Popularitätsschub, den sein fünf Jahre älterer Bruder gerade in den USA erfahren hat, kann Wladimir nicht mithalten.

Mehr Kämpfe in den USA

„Wir hoffen, dass wir die Begeisterung von New York nach Kiel übertragen können“, sagt Klaus-Peter Kohl, Chef der Universum Box-Promotion und Promoter beider Klitschkos. Mit einem Sieg über Nicholson würde sich auch Wladimir Klitschko in die Reichweite eines WM-Kampfes boxen. Den hat sein Bruder seit zwei Wochen in der Tasche. „Witalis nächster Kampf wird definitiv eine WM sein, und sollte Wladimir Nicholson schlagen, ist seine Perspektive sehr gut“, sagt Universum-Sprecher Christoph Rybarczyk. Die Frage ist nur, ob die Klitschkos dann noch für den Hamburger Universum-Stall arbeiten. Im kommenden Jahr laufen ihre Verträge aus.

Mehr als ein halbes Dutzend amerikanischer Promoter bemüht sich seit mehreren Monaten um die beiden Schwergewichtler. „Geht hin, und hört euch an, was sie euch zu bieten haben“, hat Klaus-Peter Kohl beiden Klitschkos gesagt. Wer so etwas tut, muss sich in einer ziemlich aussichtsreichen Verhandlungsposition befinden. Die Klitschkos wissen, was sie an ihrem deutschen Promoter haben. 1996 hatte sie Kohl unter Vertrag genommen, in Deutschland berühmt und für hiesige Verhältnisse reich gemacht. Vor drei Jahren hatten die Klitschkos ihre Verträge mit Kohl schon einmal verlängert. Abzutreten hatte Kohl das exklusive Werberecht. Seitdem können sich die beiden promovierten Zwei-Meter-Boxer selbst vermarkten. „Wir haben klare Vorstellungen“, sagte am Freitag Witali Klitschko. „Wir brauchen mehr Kämpfe in den USA. Das ist der wichtigste Box-Markt.“ Gelassen reagiert Jean-Marcel Nartz, Technischer Leiter bei Universum: „Es wird gepokert. Aber Klappern gehört zum Geschäft.“

Das wichtigste Plus von Klaus-Peter Kohl ist, dass er in der Lage war und wohl auch bleiben wird, beiden Boxern große Kämpfe zu bieten. Im Juni dieses Jahres boxte Witali Klitschko in Los Angeles gegen Lennox Lewis. Eine Neuauflage würde Klitschko zehn Millionen Dollar einbringen. „Natürlich besitzen die Klitschkos mehrere Optionen, aber wer kann momentan mehr bieten als wir“, sagt Rybarczyk. „Kein Arum, kein Duva, kein Cushner, kein Goosens und erst recht kein Don King.“ Dem Paten des amerikanischen Boxens trauen beide Klitschkos nicht über den Weg. Nach den Olympischen Spielen 1996 hatte King die Klitschkos zu sich eingeladen und den Himmel auf Erden versprochen. King setzte sich an einen Flügel und begann zu singen. „Sign with me, just sign with me.“ Witali blickte an King herunter auf die Pedale des Pianos. Sie bewegten sich, aber Kings Füße standen nicht drauf.

Die Klitschkos sind auch ohne King in Amerika angekommen. „Klitschko schlägt Kirk Johnson und alle Zweifel k. o.“, schrieb die New York Daily News nach dem Sieg im Madison Square Garden. George Foreman sagte: „Im größten Haus des Boxens hat Witali die Herzen der New Yorker erobert. Wer so fabelhaft boxt, wird neuer Weltmeister.“ Die Art und Weise des Triumphes im „Mecca of Boxing“ sei das Beste gewesen, was der angeschlagenen Schwergewichtsszene passieren konnte, schwärmte Larry Merchant, Chefkritiker des Bezahlsenders Home Box Office (HBO). Für den übertragenden amerikanischen Pay-TV-Sender ist Witali Klitschko mittlerweile der Quotenbringer. 2,95 Millionen US-Haushalte, also im Mittel zehn Millionen Amerikaner, sahen den Kampf im Garden. Nur eine Boxübertragung in den USA in diesem Jahr hatte mehr Zuschauer. Es war Klitschkos Kampf gegen Lennox Lewis. HBO hat die Klitschkos längst für tauglich befunden: einmal, um viel Geld zu verdienen und, zweitens, um mit den charismatischen Boxern eine neue Zielgruppe anzusprechen – die weiße Bürgerschaft Amerikas. In Deutschland ist das ZDF der TV-Partner von Universum – für jährlich 20 Millionen Euro. Wladimir Klitschkos Kampf in Kiel wird vom amerikanischen Kabel-Sender ESPN übertragen, wenn auch zeitversetzt.

„Mein Bruder ist der beste Boxer der Welt. Aber ohne einen Sieg brauchen wir nicht über die WM zu sprechen“, sagt Witali Klitschko. Wladimir hatte Anfang des Jahres zur allgemeinen Überraschung den WBO-Titel verloren. Seit dieser Zeit gehört der US- Startrainer Freddie Roach zum Betreuerstab, der unter anderem Mike Tyson trainierte. „Wladimir hatte geglaubt, er brauche nichts mehr zu lernen. Ich will seinen Stil nicht ändern, sondern verbessern“, sagt der 44-Jährige und erzählt, was er den Klitschkos noch mit auf den Weg gegeben hat: „Alle amerikanischen Promoter sind Verbrecher.“

Die Gelegenheit für die Klitschkos ist günstig, der Weg ist geebnet. Im nächsten Jahr können sie beide Weltmeister sein und viele Millionen verdienen. Ohne Promoter aber werden sie es nicht versuchen. Bevor der Kampf gegen Lennox Lewis zu Stande kam, vergingen mehrere Monate, in der Nacht vor dem tatsächlichen Vertragsabschluss wurden 40 Faxe hin und her geschickt.

„Wir würden Vieles dafür tun, sie zu halten, aber nicht alles“, sagt Klaus-Peter Kohl.

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