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Sport: Anke Huber überrascht beim Tennis-Masters in New York

Sehr müde sei sie, und beim Turnier in Philadelphia vergangene Woche wäre sie "fast gestorben". So klingt das bei einem Tennisprofi am Ende einer langen Saison.

Sehr müde sei sie, und beim Turnier in Philadelphia vergangene Woche wäre sie "fast gestorben". So klingt das bei einem Tennisprofi am Ende einer langen Saison. Den Rest haben Anke Huber die letzten acht Wochen gegeben, als sie ununterbrochen gegen den Filzball schlug, um Masters-Punkte zu sammeln. Irgendwie schaffte die deutsche Nummer eins in letzter Sekunde noch den Sprung ins prestigeträchtige Jahresendturnier im Madison Square Garden, wo sie der internationalen Reporterrunde als erstes selbstironisch mitteilte: "Ich lebe noch." Und wie: Ihre Erstrundenaufgabe löste sie mit Bravour und fertigte die Französin Julie Halard-Decugis in nur 44 Minuten mit 6:1, 6:2 ab. Von wegen müde.

Hellwach war die 24-Jährige, als sie zur ungewohnten Zeit, um 11 Uhr vormittags, den Centre Court betrat und Halard-Decugis mit einem starken Aufschlag, guten Returns und einer knallharten Vorhand den New Yorker Morgen verdarb. Nach dem munteren Tennis-Brunch strahlte die Deutsche. "Ich dachte zunächst, nur unsere Trainer und Julies Eltern würden zusehen", meinte Huber, "doch dann hat es mich gefreut, dass einige Fans da waren." Vielleicht 1000 mögen es gewesen sein. Heute Abend wird die Arena weit besser gefüllt sein, wenn es zum Showdown der Weltranglisten-Siebzehnten mit Lindsay Davenport (USA) kommt. Elf Mal standen sich beide bereits auf der WTA-Tour gegenüber. Neun Mal siegte die Weltranglisten-Zweite, die auch in den letzten drei Treffen die Oberhand behielt. "Gegen Lindsay habe ich nichts zu verlieren", sagte die Deutsche. Aber viel zu gewinnen. Die von einer Oberschenkelzerrung geplagte Kalifornierin hatte große Mühe, sich in ihrem Auftaktmatch in 1:42 Stunden mit 3:6, 6:3, 6:2 gegen Amelie Mauresmo (Frankreich) zu behaupten. Sie habe "Probleme bei Richtungsänderungen" und verspüre manchmal stechende Schmerzen, verriet Davenport, die Huber sehr ernst nimmt: "In der Halle ist Anke unberechenbar."

Das wäre der Clou, wenn Huber ihre verkorkste Saison ausgerechnet beim Treffen der 16 weltbesten Profis zu einem versöhnlichen Abschluss brächte. "Eigentlich wollte ich längst im Urlaub sein", sagte sie. Gelingt ein Coup gegen Davenport, wartet im Halbfinale die Siegerin des Duells zwischen Nathalie Tauziat (Frankreich) und Dominique van Roost (Belgien). Die Amerikanerin Venus Williams bezwang nach hartem Kampf die Spanierin Conchita Martinez mit 6:2, 5:7, 6:4, steht aber ebenso wie die Weltranglisten-Erste Martina Hingis (Schweiz) und Mary Pierce (Frankreich) in der oberen Hälfte des Tableaus. Huber hat es plötzlich selbst in der Hand, am Big Apple etwas Großes zu erreichen. 1995 stand sie beim Masters schon einmal im Finale, unterlag aber in fünf harten Sätzen Steffi Graf. Auch damals hatte niemand sie auf der Rechnung gehabt. Deja vu? "Ich habe den Ballwurf geändert und dadurch wieder mehr Selbstvertrauen in meinen Aufschlag", meinte die 24-Jährige, "und dies hilft mir momentan sehr." Auch wenn die Überraschungsnummer gegen Davenport nicht gelänge, so hätte Huber immerhin im Eilverfahren 65 000 Dollar für Weihnachtseinkäufe in New York verdient. Damit konnte sie vor wenigen Wochen wirklich nicht rechnen.

Stefan Liwocha

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