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Sport: Anni Friesinger: Eine wie Beckenbauer

Dietmar Krug ist Vizepräsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Und er ist Erfurter, deshalb hat er in den letzten Tagen besonders interessiert die Zeitungen gelesen.

Dietmar Krug ist Vizepräsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Und er ist Erfurter, deshalb hat er in den letzten Tagen besonders interessiert die Zeitungen gelesen. Seltsames stand da, von "engstirnigen Trainingssystemen im Osten", von "Arbeits- und Zweckgemeinschaften", von "einer Atmosphäre, in der ich eingehen würde". Nun hat das nicht irgendeiner gesagt, sondern Anni Friesinger, der neue Star im deutschen Eisschnelllaufteam, die einzige Bayerin, die den Erfurtern und (Ost-)Berlinern ernsthaft Konkurrenz macht. In Salt Lake City ist die Inzellerin gerade Weltmeisterin über 1500 Meter geworden. Deswegen hat Dietmar Krug auch lange überlegt, was er denn sagen soll. Man will ja auch niemanden vergrätzen, weder im Osten noch im Westen. Schließlich hat er es auf die humorvolle Tour versucht. "Die Anni ist ein liebes Mädchen. Vielleicht liegt das ein bisschen an der bayerischen Luft, dass man ab und zu emotionale Schübe bekommt. Das haben wir ja gerade erst bei Franz Beckenbauer gesehen."

Das ist ein hübsches Bild, und es nimmt dem Konflikt einiges von seiner ideologischen Schärfe. Denn ein wenig pikiert waren sie schon, die Erfolgsläuferinnen Gunda Niemann-Stirnemann und Sandra Völker (beide Erfurt), Claudia Pechstein und Monique Garbrecht (beide Berlin), nachdem sie sich das pikante Interview nach Salt Lake City hatten faxen lassen. "Ich glaube nicht, dass es einem Sportler zusteht, die Trainingsmethoden anderer zu kritisieren", zischte Gunda Niemann, Claudia Pechstein fragte sich, "woher die Anni denn weiß, wie wir in Berlin trainieren". Und Sabine Völker wies die Kollegin darauf hin, "dass es auch in Erfurt eine familiäre Trainingsatmosphäre gibt. Und wer weiß, ob in Inzell bei der Anni nicht auch vieles nur Fassade ist."

Anni Friesinger war überrascht von dem Echo, dass ihre Äußerugen ausgelöst hatten. "Ich bin so, wie ich bin", sagte die Weltmeisterin. "Man kann mich lieben, man kann mich hassen. Ich spreche aus, was mich bewegt, offen und ehrlich. Wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühlt, muss er mir das persönlich sagen." Auf einen Vergleich Ost und West wolle sie ihre Aussagen nicht reduzieren: "Ich hab nix von Ost und West gesagt. Aber zu meiner methodischen Kritik stehe ich. In Berlin und Erfurt wird einfach mehr Umfang gemacht. Bei uns lässt sich Markus Eicher halt öfter mal was Neues einfallen. Es macht einfach mehr Spaß." Sie nehme es aber niemandem übel, wenn er die Erfurter oder Berliner Arbeit vorziehe. "Die anderen haben ja auch Erfolg." Jeder solle das machen, was er für richtig halte.

Anni Friesinger hat mit ihrer unkonventionellen Methode offensichtlich Erfolg. Und zwar so großen, dass es angeblich schon ein wohl dotiertes Angebot aus dem eisschnelllaufverrückten Holland gibt. Anni Friesinger winkt ab: "Also, ich werde ganz bestimmt nicht für Geld nach Holland wechseln. Ich bin mit meinen Sponsoren glücklich." Dafür will sie am 1. Juli nach fünf Jahren ihren Arbeitgeber Bundeswehr verlassen und dafür bei ihrem Sponsor, einem Unternehmen der Medizintechnik, als Repräsentantin einsteigen. Was sie da vertreten soll, will sich Anni Friesinger an Ort und Stelle anschauen: im angeblich so ungeliebten Berlin.

Egon Boesten

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