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Sport: Anti-Star im Rampenlicht

Ralf Bartels zeigt zum richtigen Zeitpunkt die richtige Leistung

Von Frank Bachner

München. Ach, war das ein schönes Bild. Da standen diese beiden massigen Männer auf dem Podium, beide mit kantigen Köpfen, beide mit Möbelpacker-Schultern, beide mit raspelkurzen Haaren. Es hatte etwas von einer Vater-Sohn-Begegnung am später Dienstagabend im Deutschen Haus, dem Treffpunkt von Sportlern, Funktionären und Journalisten bei der Leichtathletik-Europameisterschaft. Rechts stand Oliver-Sven Buder, der zweimalige Vize-Weltmeister im Kugelstoßen, 37 Jahre alt, im Moment wegen einer Verletzung sportlich außer Gefecht. Er verkörperte den Vater. Stolz, als wäre Ralf Bartels sein Sohn, blickte er auf ihn herunter.

Sie tranken Bier miteinander im Scheinwerferlicht. Es war eine dieser kleinen Showeinlagen, die man veranstaltet mit Medaillengewinnern. Bartels absolvierte sie mit einem Blick, in dem sich Stolz und Fassungslosigkeit mischten. Er hatte gerade Bronze im Kugelstoßen gewonnen, mit 20,58 m. Alle sagten ihm das, es hatte auch auf der Anzeigetafel gestanden. Aber Bartels sah neben Buder aus, als müsste ihm das noch mal irgend jemand beibringen. Am nächsten Morgen sollte er sagen: „Ich kann es immer noch nicht fassen und gar nicht richtig einordnen... Ich habe kaum geschlafen. Ich habe auch beim Frühstück kaum etwas runtergebracht." Solche Sätze erklären einiges. Sie erklären zum Beispiel, warum Buder, der große Kugelstoßer, so stolz auf den 13 Jahre jüngeren ist und den üblichen Konkurrenzneid vergisst, sie erklären auch diese Sympathie, die Bartels bei vielen, die ihn in München erstmals erleben, genießt. Natürlich ist da auch die gute Regie seines Medaillengewinns. Es ist die erste Medaille für Deutschland bei dieser EM. Bartels steigerte sich im strömenden Regen, das erhöht seine Leistung, er ist ein neues Gesicht, weil er erstmals bei einer EM gestartet ist, es gab keine attraktiven Konkurrenzdisziplinen zum Kugelstoßen, und natürlich fehlte Buder, der große Rivale. Das alles rückt einen Bronzegewinn in den Mittelpunkt.

Aber diese Kette glücklicher Umstände enttarnte den größten Anti-Star, den das deutsche EM-Team besitzt. Den Schwiegersohn-Typ Bartels, bescheiden, höflich, aber ohne Glätte, selbstbewusst genug für die raueren Seiten des Alltags. Der Sportsoldat aus Neubrandenburg kommt dem Klischee des guten Kumpels verdächtig nahe. Bartels hätte nach seiner Bronzemedaille zum Beispiel auf den deutschen Verband schimpfen können. Der hatte seinem Trainer Gerald Bergmann keine Akkreditierung verschafft. Bergmann beobachtete am Fernseher, wie sich sein Athlet von 20,10 m im ersten Versuch auf 20,58 m steigerte. Andere Athleten, Schwimmer vor allem, machen ein Höllenspektakel, wenn sie bei internationalen Ttelkämpfen ihren Betreuer nicht in der Nähe haben. Bartels sagt bloß: „Ich kann den Verband verstehen, es gibt halt nur eine begrenzte Zahl von Plätzen für Trainer.“

Im Juni 2001 stieß Bartels in Gotha die Kugel 20,85 m weit. Damit wuchtete er sich auf Platz sechs in Europa. Einen Monat später wurde er Deutscher Meister mit 20,29 m, und da wusste Bartels, der Junioren-Weltmeister von 1996, dass er die Chance auf einen Platz im Endkampf hatte. Bei der WM 2001 scheiterte er noch in der Qualifikation.

Wie Bartels dieses Bronze erreichte, weiß er auch nicht so genau. Aber mit der Technik, das möchte er denn doch klarstellen, habe das nichts zu tun. Bartels stößt mit der so genannten Angleittechnik. Und im Fernsehen verkündeten sie, Leute mit so einer Technik, die in gerader Linie zum Abstoßbalken schnellen, hätten bei dem Regen einen Vorteil gegenüber den so genannten Drehstoß-Technikern, die um die eigene Achse rotieren. „Drehstößer haben sich im Wettkampf ja auch verbessert,“ , sagt Bartels. Wie gesagt, seine Bescheidenheit hat Grenzen.

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