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Turngemeinde

© Kai-Uwe Heinrich

Arbeitsmarkt: Kontakte für einen Euro

Menschen ohne Job sollen Sportvereinen als Platzwarte helfen – als ein-Euro-Jobber räumen sie auf, reparieren und halten alles gut in Schuss. Die Gewerkschaft Verdi sieht allerdings die Gefahr des Lohndumpings.

Berlin - Es ist nicht einfach, Tomas Boy auf dem 6,7 Hektar großen Gelände der Turngemeinde in Berlin zu finden. Heute steht der 32-jährige Arbeitslose in einer Garage am Ende der Leichtathletikanlage und repariert mit ölverschmierten Händen einen Traktor. Er kann ihn gut gebrauchen. Denn dass sich das riesige Vereinsgelände trotz Regen und Sturm in einem guten Zustand präsentiert, hat der Verein nicht zuletzt auch ihm zu verdanken.Tomas Boy arbeitet als Ein-Euro-Jobber beim ältesten Turn- und Sportverein Berlins. Seit Anfang des Jahres hilft er hier am Columbiadamm dem Platzwart und übernimmt alle Aufgaben, die anfallen.

Davor war er etwa ein Jahr arbeitslos. Warum, verrät er nur ungern. „Eine bewegte Vergangenheit“ hätte er gehabt, sagt Boy, und „Jugendsünden begangen“. Später erzählt er, dass er vor seiner Arbeitslosigkeit die Tannenhof-Schule besucht hat, eine Einrichtung für suchtkranke Menschen. Der gelernte Elektriker, Masseur und medizinische Bademeister hat sich von selbst entschlossen, den Ein-Euro-Job im Verein anzunehmen, „bevor ich nichts mache“. Boy ist sich sicher, nach dieser Maßnahme wieder besser einen Job anderswo zu bekommen. Aber auch eine Festanstellung bei der Turngemeinschaft kann er sich vorstellen.

Tomas Boy ist einer von vielen Langzeitarbeitslosen, die durch die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Sportverbänden in Vereinen eingesetzt werden. Auf regionaler Ebene gibt es diese Art von sportlicher Arbeitshilfe schon seit 15 Jahren. Nun wurde auch eine Kooperation auf Bundesebene beschlossen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Bundesagentur für Arbeit wollen auf diese Weise Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt integrieren. Momentan sind das etwa 932 000 Menschen in Deutschland.

Der DOSB erhofft sich, dass die Arbeitsagenturen gezielt ihr Repertoire um das Thema Sport erweitern. DOSB-Sprecher Michael Schirp sieht das Projekt außerdem als Chance für die Arbeitslosen, Einsatz und Zuverlässigkeit zu beweisen. „Das sind Qualifikationen, die man in jedem Beruf braucht“, meint Schirp. Die Bundesagentur für Arbeit will nach eigenen Angaben auf Erfolge auf lokaler Ebene aufbauen. Jedoch nicht hinsichtlich der Eingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt, sondern eher die gesellschaftliche Integration betreffend. „Langzeitarbeitslose leben oft isoliert und können durch den Sport wieder mit anderen Menschen in Kontakt treten“, sagt Anja Huth von der Bundesagentur für Arbeit.

Klar ist damit auch: Die Maßnahme verspricht keine besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das sieht auch Edgar Grothkopp von der Turngemeinschaft in Berlin so, trotzdem nimmt sein Verein die Arbeitskräfte gerne in Anspruch. Derzeit sind es vier Langzeitarbeitslose, die hier arbeiten. „Ohne die würde unsere Anlage nicht so gut aussehen“, sagt der Vereinsmanager. „Mit zwei festangestellten Platzwarten und einem Hausmeister ist das nicht zu schaffen.“ Würde er mehr Arbeitskräfte fest anstellen, müssten die Beiträge der rund 4000 Mitglieder erhöht werden. Ein paar „Perlen“ an neuen Arbeitskräften habe er immerhin in den letzten Jahren gefunden; diese hätten eine Festanstellung bekommen. Ob Tomas Boy auch so eine Perle ist, lässt Grothkopp offen.

Grundsätzliche Bedenken zu dem Projekt hat die Gewerkschaft Verdi. Probleme bestünden darin, dass die Langzeitarbeitslosen durch ihre Tätigkeit als sogenannte Ein-Euro-Jobber aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden würden. „Das ist zwar ein kurzfristig positiver Effekt, ändert aber nichts am Zustand“, sagt Verdi-Sprecher Jan Jurczyk. Es sei Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit, die Arbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Außerdem würde das ohnehin schon niedrige Lohnniveau durch diese Konkurrenz weiter sinken. „Bei der Arbeit in einem Sportverein gibt es natürlich Chancen, Netzwerke und Beziehungen zu bilden“, sagt Jurczyk, „aber dafür bestehen auch andere Wege, da braucht man keine Kooperation von DOSB und der Bundesanstalt für Arbeit.“

Auch das Fazit von Tomas Boy fällt eher ernüchternd aus. „Viel erreichen kann man mit der Maßnahme nicht“, sagt er. „Aber am Ende kommt es auf jeden selbst an, was er daraus macht.“

Luise Hermann

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